Das Wrack der 'Rio de Janeiro'

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22.07.2015 08:57
Kategorie: News

Geschichte einer Suche

Tom Lundahl am entscheidenden Expeditionstag.
Tom Lundahl (ADYKK) am entscheidenden Expeditionstag.

Nach sieben Jahren Suche und aufwändiger Recherche wurde das Wrack der "Rio de Janeiro" vor Norwegens Südküste gefunden.

Am 14. Juni 2015 kam eine lange Suche zu Ihrem vorläufigen Abschluss: Das Suchteam um Tom Lundahl und Espen Johannesen fand die "Rio de Janeiro" und konnte sie anhand der geborgenen Schiffslaterne zweifelsfrei identifizieren. Die "Rio de Janeiro" war am 8. April 1940, einen Tag vor dem deutschen Einmarsch in Norwegen, von einem alliierten U-Boot vor Lillesand an der norwegischen Südküste versenkt worden.

Die "Rio de Janeiro" ist ein deutsches Frachtschiff mit 122,5 Meter Länge und 16,8 Meter Breite, dass 1914 in Bremen als "Santa Ines" vom Stapel lief und bereits eine wechselvolle Geschichte hinter sich hatte, als es am 7. März 1940 von der deutschen Kriegsmarine als Transporter requiriert wurde. Das Schiff transportierte Material und Truppen von Stettin nach Bergen. Bei Lillesand wurde es am 8. April 1940 von dem unter englischem Kommando stehenden polnischen U-Boot "Orzeł" (ORP Orzel, das Typschiff der Orzel-Klasse) aufgebracht und mit drei Torpedos versenkt. 183 Überlebende wurden gerettet und von den Bewohnern von Lillesand und Høvåg versorgt, die nicht ahnten, dass am nächsten Tag der Überfall auf Norwegen starten sollte. 19 Besatzungsmitglieder und 164 Soldaten kamen ums Leben.

Die "Rio de Janeiro" in einer Aufnahme von 1922, © commons.wikimedia.org  U-Boot Orzel, Aufnahme 1938
Die Rio de Janeiro in einer Aufnahme aus dem Jahr 1922 und die Orzel (re.). Klick zum Vergrößern.


Die genaue Lage des Wracks war unbekannt. Die Suche begann vor etwa sieben Jahren.  Unabhängig voneinander waren Tom Lundahl und Espen Johannesen der "Rio de Janeiro" auf der Spur. Als sie 2010 voneinander erfuhren, taten sie sich zusammen und suchten von da an gemeinsam. Die Suche war für beide kein Vollzeitjob, sie fand meist nach der regulären Arbeit und auch in der Nacht statt - wenn sie Zeit hatten und das Wetter es zuließ. Als Equipment zur Verfügung standen ein kleines ROV (autonomes Unterwasserfahrzeug) und zwei Seitensichtsonare unterschiedlicher Bauart.

Neben der Suche auf See führten Lundahl und Johannesen auch stundenlange Interviews mit älteren Zeitzeugen und Fischern, recherchierten im Internet, in Museen und Archiven.

Im Juni 2014 gelang dem Team dann der erste bedeutende Fund: Massive Stahlplatten, Eisenstücke, ein Rettungsboot und ein Motorradreifen, der sich später als Ersatzreifen für eine alte deutsche Zündapp-Maschine entpuppte, tauchten am Meeresboden auf. Eine erste heiße Spur schien gefunden...

Die Reling der "Rio de Janeiro" (ROV-Foto)  Die Bergung der Schiffslaterne mit dem ROV
Die Reling der "Rio de Janeiro" und die Bergung der Laterne mit dem ROV. Klick zum Vergrößern.


2015 suchten sich  Lundahl und Johannesen Unterstützung bei ihrem Freund Gisle Espeland, da dieser über ein größeres, leistungsstärkeres ROV und ein Fächersonar verfügt. Am 13. Juni 2015 startete die entscheidende Expedition zu dem Gebiet, in dem das Team die Stahlplatten gefunden hatte. Am 14. Juni schließlich wurde die "Rio de Janeiro" an der erwarteten Position gefunden: zerbrochen in zwei Teile.

Das Team mit der geborgenen Schiffslaterne: Pål Nymoen (Directorate for Cultural Heritage), Espen Johannesen, Tom Lundahl , Vidar Johannesen (von links)
Das Team mit der geborgenen Schiffslaterne:
Pål Nymoen (Directorate for Cultural Heritage), Espen Johannesen,
Tom Lundahl , Vidar Johannesen (von links). (Klick zum Vergrößern).

Lundahl und Johannesen, die offiziellen Entdecker des Wracks informierten umgehend die norwegische Denkmalschutzbehörde, mit der sie bereits während der Jahre ihrer Suche in engem Austausch standen. Den beiden Findern wurde das Recht eingeräumt, eine Schiffslaterne und die Schiffsglocke zu bergen. Diese sollen der Gemeinde Lillesand übergeben werden.

Das Expeditionsteam wird nun versuchen, die Glocke zu finden und zu bergen. Zudem stehen umfangreiche Foto- und Video-Dokumentationen auf dem Plan. Lundahl und Johannesen betonen, dass das Wrack eine Erinnerungsstätte und ein UW-Denkmal sei, dass es zu respektieren gelte.

Angst davor, dass es zu einer Souvenir-Fundgrube für plündernde Taucher wird, haben sie allerdings nicht - dafür liegt das Wrack in 120 bis 138 Metern zu tief.



ROV Video ( 1 Std.). In den letzten 10 Min. ist das ROV scheinbar bewegungslos. Warum dies so ist erläutert Tom Lundahl:

"Diesen Teil der Suche haben wir am Freitag den 12.Juni gestartet. Bis heute (14.Juni) hatten wir nur sehr wenig Schlaf, vielleicht um die 3 Stunden. Nachdem wir die Rio gefunden hatten bzw. vermuteten wir dies, haben wir einfach eine Pause benötigt und das ROV am Wrack festgemacht während die Kamera noch weiterlief. Dann wurde gegessen und ein bisschen gefeiert…

Ich weiß wirklich nicht wie viele Stunden wir in den knapp 7 Jahren der Recherche und Suche in das Projekt gesteckt haben. Es war mein großes Hobby. Es ist fantastisch die Suche erfolgreich abgeschlossen zu haben, aber es ist auch Wehmut dabei – der Erfolg hat sozusagen mein Hobby "beendet".

Aber wir haben noch ein großes Ziel: Wir werden die Rio im Innenbereich betauchen (ohne ROV) und auch die Schiffsglocke bergen. Das ist bei dieser Tiefe noch eine wirkliche Herausforderung."

Weitere Videos zur Rio de Janeiro: Wrackvideos, Bergung - Rio de Janeiro


Weitere Infos zu Tom Lundahl, ADYKK.