Neue Einsichten in die Folgen von Methanaustritten am Meeresboden

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14.01.2016 16:10
Kategorie: News

 

Forscher untersuchten Krater in der Nordsee vor Schottland

Austritt von Gasblasen am Boden der Nordsee, Foto: © Jürgen Schauer, GEOMAR
Austritt von Gasblasen am Boden der Nordsee
© Jürgen Schauer, GEOMAR

Ein Krater am Boden der Nordsee, der 1990 durch eine Gasexplosion im Zuge von Öl-Explorationen entstand, eröffnet einem internationalen Forscherteam neue Einblicke in das Schicksal von Methanaustritten am Meeresboden. Zusätzliche Untersuchungen und Überwachungsstrategien sind nötig, um die Triebkräfte weiterer Emissionen besser zu verstehen.

Am 20. November 1990 stießen Bohrungen in etwa 100 Metern Wassertiefe in der Nordsee ungefähr 200 Kilometer vor Schottland auf ein flaches Gasvorkommen. Die dabei ausgelöste Explosion setzte große Mengen Methan frei und hinterließ einen Krater am Meeresboden. Während einer Expedition im Jahr 1994 beobachteten Wissenschaftler in dem Gebiet deutliche Gasemissionen. "Die Konzentrationen, die wir an der Oberfläche feststellten, sind noch immer die höchsten, die ich je im Meer messen konnte", berichtet Prof. Gregor Rehder, Meereschemiker am Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW). Eine weitere Expedition bestätigte 2005, dass nach wie vor Gasblasen aus dem 60 Meter breiten und 20 Meter tiefen Krater aufstiegen. Ein Tauchgang mit dem Forschungstauchboot "JAGO" eröffnete 2006 detaillierte Einblicke in die noch immer aktive Austrittsstelle.

2011 initiierte das Britische Ministerium für Energie und Klimawandel (Department of Energy and Climate Change, DECC) eine genauere Untersuchung. Ziel war, Emissionsraten zu erfassen und Veränderungen des Gases bei seinem Aufstieg in der Wassersäule eingehend zu analysieren, bevor es in die Atmosphäre gelangen konnte. Die von ExxonMobil finanzierten Arbeiten wurden von Dr. Ira Leifer (Bubbleology Research International) geleitet. Zu den beteiligten Spezialisten gehörten Dr. Alan Judd (Alan Judd Partnership), Dr. Peter Linke (GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel) und David Long (British Geological Survey) sowie weitere Experten aus Deutschland, den Niederlanden, den USA und Großbritannien.

Blasenteppich über dem Methan-Krater, Foto: © Peter Linke, GEOMAR
Blasenteppich über dem Methan-Krater
© Peter Linke, GEOMAR

Neben einem Gesamtüberblick aus wissenschaftlicher Perspektive lieferte das Team erstmals eine Quantifizierung eines massiven Gasblasenaustritts in einem flachen Meeresgebiet sowie Beobachtungsdaten über einen längeren Zeitraum. Die Ergebnisse sind in einer Sonderausgabe des Fachmagazins „Journal of Marine and Petroleum Geology“ zusammengefasst.

Auf ihren Expeditionen in den Jahren 2011 und 2012 stellten die Wissenschaftler fest, dass die Quelle noch immer Gas freisetzte. Über die Verteilung des Methans entschieden allerdings jahreszeitlich schwankende Bedingungen: Im Sommer lagern verschieden warme Wasserschichten der Nordsee klar getrennt übereinander. "In solchen Phasen mit wenig Durchmischung erreicht nur wenig Methan in den Gasblasen die Oberfläche", erklärt Dr. Linke. "Strömungen können das Gas dann von der Quelle forttransportieren, es kann verteilt und gelöst werden. Ein Teil wird von Mikroben in der Wassersäule und am Meeresboden abgebaut. Aber wir wissen noch nicht, wie dies Organismen beeinflusst, die in der Nähe der Quelle leben."

Vom Spätherbst bis zum Frühling sorgen Wind und Wellen für eine tiefere Durchmischung der Nordsee. Die Forscher gehen davon aus, dass das Methan dann bis an die Oberfläche und in die Atmosphäre gelangt. So wurden die höchsten Konzentrationen von Methan in der Atmosphäre in einem Gebiet von vier mal vier Kilometern über dem Krater gemessen. Doch auch wenn der Krater signifikant zum Methan-Budget der Nordsee beiträgt, stellt er für das Klima insgesamt kein vergrößertes Risiko dar, so die Wissenschaftler. "Wir waren zunächst überrascht darüber, dass wir keine höheren Konzentrationen über der Temperatur-Sprungschicht messen konnten", erinnert sich Dr. Jens Schneider von Deimling, Geophysiker am GEOMAR. "Aber seit wir entdeckt haben, dass die am Meeresboden austretenden Gasblasen einen großen Wirbel bilden, nehmen wir an, dass bislang nicht verstandene Prozesse die Verbreitung und den Austausch des Gases noch fördern. Es kann sein, dass Blasen aus größeren Wirbeln nicht mehr viel Methan enthalten, wenn sie die Oberfläche erreichen."

Langzeit-Untersuchungen mit so genannten Landern, Plattformen für verschiedene Messungen und Experimente am Meeresboden, deuteten auf schwankende Emissionen hin. Im Dezember 2011 wurde eine Eruption mit dramatisch erhöhten Gasfreisetzungen registriert. Nachfolgende Untersuchungen mit dem Tauchroboter „ROV KIEL 6000“ offenbarten, dass sich die Struktur am Meeresboden nochmals verändert hatte. "Dies belegt, dass eruptive Kräfte eine sporadische, aber wichtige Rolle spielen", folgert Dr. Linke. "Der Krater ist auch heute noch immer aktiv und wird es auch für einige Jahre bleiben. Wir sind der Meinung, dass die Stelle nicht nur überwacht werden muss – wir sollten sie auch als natürliches Laboratorium nutzen und daraus für zukünftige Explorationen lernen." Die Wissenschaftler empfehlen, zusätzliche Daten zu sammeln, Hypothesen zu überprüfen und die Veränderungen des Methans in der Wassersäule und am Meeresboden genauer zu untersuchen und das Monitoring zu verbessern. Für Ende August 2016 ist bereits eine weitere Ausfahrt zum Krater geplant.

Link zur Studie: www.sciencedirect.com/../68/part/PB