Sensationeller Fund im Schweriner See?

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28.09.2015 09:22
Kategorie: News

Von der Brillenbergung zum Munitionsbergungsdienst

Schweriner See: Heese taucht ab - © Astrid Hiersche
Der wackere Froschmann Heese taucht ab
© Astrid Hiersche

Schwerin, Sonntag 27. September 2015. Der bekannte Wracktaucher und Unterwasserdokumentarfilmer Rene Heese "diverhans" aus Schwerin ist mit einer Mitarbeiterin des ZDF Landesstudio Mecklenburg Vorpommern um 11:00 Uhr am Bootssteg des "Schweriner Segler-Verein von 1894 e.V." verabredet.

In der Vorwoche hatte die Dame bei einem Bootsausflug - während des Anlegemanövers - ihre teure Gleitsichtbrille verloren. Strahlend blauer Himmel, Windstille und glasklares Wasser lassen die Suche durch Heese - ausgerüstet mit einem Presslufttauchgerät - erfolgversprechend erscheinen. Nach nur fünf Minuten reckt der wackere Taucher seinen Arm aus dem Wasser, in der Hand die Brille. Die Freude ist bei allen Anwesenden groß, und die Dame vom ZDF mit dankenden Worten schnell entschwunden. Das Ende einer schönen Kurzgeschichte? Nein, nicht in diesem Fall...

Wir spulen kurz die Zeit zurück: Vor dem "Brillen-Bergungstauchgang" hatte Heese bei Herrn L. (Vorstand - Hafenangelegenheiten) zwecks Einfahrtgenehmigung und Zuweisung eines nahegelegenen Parkplatzes vorgesprochen und um eine Taucherlaubnis gebeten. "Okay, aber wenn Sie damit fertig sind, habe ich noch eine Bitte an Sie, Herr Heese."
"Was kann ich für Sie tun?" hinterfragt Rene Heese. "Da hinten unweit von dem Bootsanlieger dort, liegt ein dubioser Gegenstand im flachen Wasser." sagt Herr L. und weist in südliche Richtung. "Kollegen von der DLRG haben kürzlich das Ding schon mal von der Wasseroberfläche aus inspiziert - wohl keine Munitionskiste nach deren Meinung, aber ich denke, wenn Sie schon mal hier sind, können Sie sich das bitte vielleicht mal Unterwasser näher ansehen." - "Gerne Herr L., gleich im Anschluss mache ich das für Sie," entgegnet Heese freundlich.

Froschmann im Einsatz

Heese an der dubiosen Kiste - © Astrid Hiersche
Heese an der dubiosen Kiste
© Astrid Hiersche

Kaum den einen Auftrag erledigt schreitet der wackere Froschmann in voller Montur unter den Augen der Schaulustigen über den großzügig angelegten Rasenplatz, hinüber zum Südufer. Auch hier erleichtert die am Bootssteg vorbildlich angebrachte Leiter das Ein- und Aussteigen und verhindert effektiv das Aufwirbeln von Sediment. Nicht unwesentlich, denn das Objekt der Begierde schimmert momentan dunkel durch das so klare Wasser und zeichnet sich vom hellen Seegrund deutlich ab. Der Schnellablass zischt und Heese taucht ab.

Etwa die Hälfte der Kiste ist im Schlick eingesunken. Der Rest ist stark mit Muscheln bewachsen. Mit den Fingern entfernt Heese vorsichtig die Muschelablagerungen an einer Stelle - so gut es eben geht. Stabil scheint sie zu sein und aus Metall. Scharniere, klappbare Griffe und Verschraubungen mit Flügelmutter fühlt der Taucher - die Sicht ist nämlich schnell durch seine Handlungen auf wenige Zentimeter gesunken. Seine Hände gleiten in den weichen Schlick. Der Boden der Kiste ist erreicht. Heese schätzt spontan ab, dass die Kiste mit wenig Aufwand geborgen werden kann; er ist ja bereits vor Ort. Recht schnell ist sie freigegraben, doch haftet sie wie zementiert am Grund. Nach geraumer Zeit und noch mehr Sedimenten im Wasser ist der Boden großflächig unterhöhlt; jetzt erst gibt das "Ding" endlich den Widerstand auf. Schwer ist sie nicht wirklich und passt geometrisch gerade so noch halbwegs unter den Arm des Tauchers. Das großzügig dimensionierte Wing wird angeblasen. Wie im Film von Professor Dr. Hans Hass "Das Lampenwrack" bewegt sich Heese hier eher bäuchlings hüpfend mit der Kiste zum nahegelegenen Steg – auch Ähnlichkeiten mit einem wandernden Anglerfisch könnte man hier konstatieren. Der Auftrieb reicht halt leider nicht ganz aus.

Hochspannung am Ufer

Mitarbeiter vom SSV und Heese bergen die Kiste - © Astrid Hiersche
Ein Mitarbeiter vom SSV und Heese bergen die geheimnisvolle Kiste © Astrid Hiersche

"Holen Sie mal bitte zwei Stück lange Tampen! (kurzes Stück Tauwerk)" fordert Heese einen Mitarbeiter des Schweriner Segler-Vereins auf. "Wir holen das Teil jetzt raus ... wenn ich schon mal hier im Wasser bin. Nachher ist da noch 'was wertvolles drin und Sie vergessen mich anzurufen." ergänzt er noch scherzhaft. Die zwei Seile werden angeschlagen, Heese steigt aus dem Wasser und entledigt sich schnell seiner Tauchausrüstung. Dann werden die Seile angepackt, und nur kurze Augenblicke später steht die Kiste auf dem Steg.

"Mann, das sieht doch etwas nach Munitionskiste aus. Konstruktion - wohl zweiter Weltkrieg, könnte aber auch harmlos sein, eine Kochkiste vielleicht, ich habe auch nicht alles auf dem Schirm, egal, ruf mal bitte die Polizei an, sicher ist sicher, und bring Tücher mit, damit wir das Teil feucht halten!" formuliert Heese einen Endlossatz, wechselt aufgeregt in die Du-Form und ergänzt: "Nicht dass wir uns hier noch im guten Glauben handelnd, Ärger einfangen."

Augenblicke später fährt ein grauer VW T5 auf den Platz. Zwei nette Polizeibeamte inspizieren die Kiste und entscheiden, den Munitionsbergungsdienst Mecklenburg Vorpommern zu ordern.

Der Munitionsbergungsdienst fährt ein - © Astrid Hiersche

Nur kurze Zeit später fährt ein roter VW T5 ein. Der Kollege vom Munitionsbergungsdienst ist ebenfalls sehr freundlich und nimmt sich nun der Sache kompetent an. Werkzeug wird herangeschafft und mittels Polygripzange die Flügelmutter vorsichtig bewegt.

"Äh... wollen Sie das nicht bitte lieber alleine in Ihrem Bunker machen?" fragt Heese jetzt doch etwas kleinlaut nach. "Nein, im Moment ist das hier ungefährlich." grinst der Beamte. "Wir öffnen eine Kiste, mehr nicht." Etwas schwer tun sich die Scharniere, doch geben sie schließlich nach. Alle Augen der wenigen Beteiligten sind gespannt auf den Deckel der Kiste gerichtet. Erst einen Spalt, dann schlussendlich ist die Kiste ganz geöffnet.

Wasser, nichts als schlammiges Wasser!

Die geöffnete Kiste - © Astrid Hiersche
Die geöffnete Kiste - © Astrid Hiersche

"Hier, nehmen Sie lieber die Pütz zum Wasser abschöpfen!" Der Kollege vom Munitionsbergungsdienst lächelt Heese freundlich an und nimmt die Pütz (Eimer mit Leine am Henkel). "Die ist leer!" sagt er nach wenigen Augenblicken.

"Moment!" mischt sich Heese wieder ein. "Ich greife da nochmal in den Schlamm. Irgendeiner muss hier damals doch was versteckt und bewusst versenkt haben. Das kann's doch jetzt nicht sein!". Heese fühlt sich wie in der Szene des Films "Titanic" als der Tresor geöffnet und erfolglos durchwühlt wird...

Die Aufregung ist so groß, dass den Beteiligten erst jetzt die Inschrift an der Innenseite des Deckels auffällt. Der teilweise noch lesbare Inhalt weist die Kiste unmissverständlich als "Kochkiste" aus. Alle Zweifel sind nun beseitigt, Gefahr gebannt! Aber eben auch nichts drin!

Schlamm - nichts als Schlamm - © Astrid Hiersche
Schlamm - nichts als Schlamm und die erläuternde Inschrift an der Innenseite
© Astrid Hiersche

"War das jetzt umsonst, dass wir Sie gerufen haben?" fragt Heese. "Nein, auf keinen Fall, fast alles richtig gemacht!" erwidert der freundliche Kollege vom Munitionsbergungsdienst und ergänzt: "Für Jedermann ist es besser, uns zukünftig gleich anzurufen. Hier im konkreten Fall ist es aber in Ordnung dass Sie die Kiste geborgen haben, da Sie sie noch Unterwasser gründlich inspiziert und den sicheren Verschluss festgestellt haben. Ich rate aber grundsätzlich von solchen Aktionen ab."

Die anwesende Wasserschutzpolizei nickt zustimmend, während Heese sich leicht verlegen am Dreitagebart kratzt...