Tauchen in NRW kein Allgemeingut

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27.08.2014 15:56
Kategorie: News

Da staunt der Fachmann...

Holger Cremer von Dive-In-Essen
Holger Cremer von Dive-In-Essen

Holger Cremer ist seit 2006 Inhaber des "Dive-in-Essen" und versteht die Welt nicht mehr. Kürzlich bekam er Post von Carina Gödecke. Sie ist Abgeordnete des Landtags Nordrhein-Westfalen und zurzeit Präsidentin eben dieses Landtags. Und damit ist sie zuständig für Petitionen, die von Bürgern mit ihren wichtigen Anliegen an die Ohren der Politiker gebracht werden sollen. Genau genommen erhielt er nach drei Monaten die Antwort auf die von ihm am 9. Mai eingebrachte Petition, das Tauchen in den öffentlichen Gewässern in Nordrhein-Westfalen als Allgemeingut einzustufen und damit die Gewässer für die Nutzung durch Taucher frei zu geben.

Was ihm dort auf dem Briefbogen der Präsidentin des Landtags vom Unterzeichner "Richter" (ein offenbar vornamenloses Neutrum in der Entourage des Präsidiums) mitgeteilt wurde, empfand Holger Cremer "als ein Schlag ins Gesicht aller Taucher".

Ums kurz zu machen: Tauchen ist in Nordrhein-Westfalen kein Allgemeingebrauch und besonders bemerkenswert für diese Einstufung sind die zugrunde liegenden Argumente. Während die Gemeingebrauchregelung des Landeswassergesetzes z.B. das Baden, Waschen, Viehtränken Schöpfen mit Handgefäßen, den Eissport und das Befahren mit kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft (gemeint ist vermutlich "ohne eigene Antriebe", denn wenn kleine Fahrzeuge eigene Triebe hätten... hmm...) gestattet ist, schauen die Taucher in die Röhre. Die Angler werden nicht explizit genannt, und dennoch wird das Angeln in heimischen Gewässern weitgehend als Allgemeingut betrachtet. Also, wenn der Petrijünger in sein flottes, grünes Trocki-Latz-Gummihöschen schlüpft und mit Wurm, Fliege, Blinker, Pilker in den Uferzonen an den Schilfkanten auf den stehenden Hecht oder an den Abbruchkanten dem Aal nachsteigt, ist das etwas ganz anderes, als wenn etwa ein Taucher, wie jeder Schwimmer auch an den Einstiegen ins Gewässer geht/steigt und eben nicht an der Wasseroberfläche, sondern unterhalb dieser das Gewässer durchschwimmt und erkundet.

Ökologische Schäden durch Taucher?

Nur für das Bergen von Müll sind die Taucher gern gesehen...
Nur für das Bergen von Müll sind Taucher gern gesehen...

Herr/Frau Richter jedenfalls erklärt, dass der Tauchsport durch die technischen Weiterentwicklungen auch zu einer intensiveren ökologischen Inanspruchnahme der Gewässer führe. Weiter heißt es dann: "Durch das Vordringen in größere Gewässertiefen, die räumliche und zeitliche Ausdehnung der Tauchgänge sowie eine weitgehende Witterungs- und Saisonunabhängigkeit begründet das Tauchen beispielsweise gegenüber dem Baden oder dem Eislaufen ein erhöhtes Risiko dafür, dass die Ökologie des betauchten Gewässers nachteilige Veränderungen erfährt."
"Was für ein Blödsinn! Auch mit technischem Fortschritt hat die überwiegende Zahl der betauchbaren deutschen Seen nicht einmal 20 Meter Tiefe und in einer 10-Liter-Pressluftflasche sind heute wie auch schon vor vierzig Jahren in der Regel nur 2000 Liter Luft drin. Welche technischen Weiterentwicklungen da zu einer intensiveren Nutzung geführt haben, muss mir mal jemand verraten", sagt Holger Cremer.

Als negative Folgen werden dann u.a. Sedimentaufwirbelungen, Störung des Fischlaichs und anderer tierischer Lebewesen, Tiefenwasserverlagerung durch die Atmung der Taucher oder die Beschädigung des Ufers und des ufernahen Pflanzenbestandes durch die Taucher aufgeführt. Und das sind die Gründe – die kommentieren wir nun ausdrücklich nicht und jedermann möge sich zu dieser "Kausalkette" seine eigene Meinung bilden – weshalb eine generelle gesetzliche Freistellung des Tauchsports nicht vertretbar sei!

Holger Cremer jedenfalls ist sauer, dass hier nicht nur mit zweierlei Maß gemessen wird, sondern zugleich auch durch eine dubiose Genehmigungspraxis Nutzungsrechte an öffentlichen Gewässern an Tauchvereine und Verbände vergeben werden, die dann die exklusive Nutzung im Rahmen ihrer individuellen Vereinbarungen mit dem Land haben. "Wenn denn die Argumente für die Ablehnung der Nutzung öffentlicher Gewässer durch alle Taucher als Allgemeingut der Politik so sehr am Herzen liegen, ist es kaum zu verstehen, dass sie zugleich im Rahmen von Sondervereinbarungen für einzelne Gruppen nicht mehr von Bedeutung sein sollen", sagt Cremer gegenüber Taucher.Net.

Vereinfacht könnte man fordern: Wir sind das Volk, das Land gehört uns! Und deshalb lasst es uns auch vertretbar nutzen! Wenn der Formel-Eins-Zirkus durch Europa kajolt, regt sich kein Politiker über die Luftverpestung auf. Dafür entwickeln sie aber wahren Erfindungsreichtum, wenn es den Bürgern ans Säckel gehen soll... Wer sich eine "Gewässerunterhaltungsgebühr" oder "Regensteuer" für auf private Grundstücke fallenden Regen einfallen lässt, wird bestimmt auch auf die Idee zu einer CO2-Steuer auf den klimaschädlichen, erhöhten CO2-Gehalt unserer Ausatemluft kommen. Die könnte man bei uns Tauchern doch prima gleich mit der Flaschenfüllung passgenau abrechnen...


Hier die komplette Antwort von "Richter":
Schreiben des Landtags Nordrhein-Westfalen, Petition Tauchen
Schreiben des Landtags Nordrhein-Westfalen, Petition Tauchen