Wie Taucher die Branche sehen

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20.03.2014 09:11
Kategorie: News

Internethandel - Fluch oder Segen?

Aquata Onlineshop vs. Fachhandel
Der deutsche Tauchanzughersteller Aquata stieg Anfang März in den Bereich eCommerce ein und eröffnete einen eigenen Onlineshop in dem der Neoprenhersteller nun auch selbst Tauchsportartikel direkt an den Endverbraucher verkauft. Taucher.Net berichtete ausführlich (siehe Artikel "Neue Wege gehen gut?").

Dieser Schritt wurde heftig diskutiert, denn Aquata  ist damit der erste Equipmenthersteller, der diesen Schritt offen vollzog und auch die Hintergründe hierfür auf den Tisch legte. Denn: mit dem ausschließlichen Verkauf seiner Produkte nur über den Fachhandel, so hieß es von Aquata,  könne man nicht mehr wirtschaftlich arbeiten.

Dr. Wolfgang Dressler, Inhaber von Aquata und seit Jahrzehnten im deutschen Tauchartikelmarkt tätig, erklärte gegenüber Taucher.Net, dass es nun Zeit zum Handeln war: "Der Neoprenbereich für den Tauchsport war so nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben, deshalb mussten wir uns auch im Interesse unserer Mitarbeiter neuen Vertriebswegen öffnen." Der Tauchsport-Fachhandel reagierte nach Angaben Dresslers sehr verhalten auf diese Erweiterung seiner Vertriebswege. Direkt auf die Thematik "Fachhandelstreue der Hersteller" angesprochen zeigten sich aber alle von Taucher.Net angesprochenen Händler überrascht und über diese Tendenz der Branche zum Teil verärgert.
 
Die Tauchbranche befindet sich in einem strukturellen Umbruch und da wird nicht nur mancher Hersteller und mancher Händler sich überrascht über bestimmte Entwicklungen die Augen reiben, sondern auch die Endverbraucher, die sich wegen fallender Preise normalerweise als die Gewinner solcher Veränderungen feiern, reagieren inzwischen sehr differenziert. Denn Preisverfall mit gleichbleibenden Qualitäten hat es nur in den seltensten Fällen gegeben. Und Billigprodukte aus Fernost- und Ostblockproduktionen haben nur zu oft das Attribut "billig" im vielfältigen Sinne des Wortes verdient. Und: Amazon und eBay beraten nicht, man kauft quasi "blind" und kann die Produkte nicht einmal anfassen um Qualitäten, Formen und Ausstattung direkt zu vergleichen.

Taucher.Net fragte seine Leser:

Lesermeinung zum Thema Fachhandel vs. Hersteller (Aquata) Onlineshop
Eine kleine Auswahl der interessantesten
Leserbriefe ungekürzt in verlinktem pdf-File


Brauchen wir Taucher eigentlich noch den Fachhandel? Geht Aquata einen logischen oder gefährlichen Weg? Und wir Endkunden und Verbraucher: Machen wir nicht einen fatalen Fehler, indem wir unsere Kaufentscheidung überwiegend vom Preis beeinflussen lassen?

Eine wahre Flut von Meinungen die auf uns zurollte und die ließ erkennen, dass dieses Thema tief verankert ist und sehr kontrovers betrachtet wird, war das Ergebnis der Aktion.

Jay Tee und zahlreiche andere User boten dann auch Lösungsansätze an: "Eine Lösung für den Fachhandel wäre, zusätzlich zum Tauchshop/-schule einen Online-Shop zu betreiben, den effektiven Shop-Bestand minimal zu halten (Just in Time Lieferung), und die Preise moderat zu gestalten. Erfolgsgeschichten dieses Modells gibt es genügend auf dem Markt."
Kein dummer Ansatz und in der Tat gibt es einige Fachhändler in der Branche, die diesen Ansatz in ein professionelles Gesamtkonzept sehr erfolgreich eingebunden haben.

Apropos Professionalität: Christof sieht es als Vertrauensfrage: "Dass der Fachhandel, sprich der Tauchshop deines Vertrauens, das verkauft, was für den Kunden das Beste ist, glaube ich schon lange nicht mehr. Er verkauft das, was er hat. Warum ist denn bitte das Tun von Aquata so verwerflich? Wenn die Tauchshops in der Vergangenheit ihre Pfründe damit gesichert haben, dass sie Produkte nur noch in Margen anstatt in Sortimente, Qualitäten oder Ausstattungen einteilen, dann ist ein Umdenken höchste Zeit" lautet sein Fazit.

Ähnlich argumentierte auch Florian, der sich vom Fachhandel fast komplett verabschiedet hat: "Bei einigen Sachen wie Flossen hab ich mir Zeug aufquatschen lassen, was der Laden halt bevorzugt verkauft. Diese Dinge liegen nun im Keller rum, da sie weder richtig passen noch für mich geeignet waren." Weiter führt er aus: "Ich bin der Meinung, dass der Fachhandel nur überleben kann, wenn er sich primär auf Serviceleistungen und die individuelle Beratung fokussiert. Dazu gehören Testprodukte, die man auch im Nassen probieren kann. Dann bin ich auch gewillt und tue dies bereits auch, die höheren Kosten im Fachhandel zu bezahlen."

Einen Tipp für den Fachhandel hat auch Nico parat. Auch er berichtete, dass er sich als Anfänger die erste ABC-Ausrüstung und den Anzug vom Tauchlehrer hatte aufschwatzen lassen. Auch er monierte unflexible Handelsgewohnheiten und dass er nicht die Produkte "nass" ausprobieren könne. "Warum soll ich dann nicht als Kunde die Vorteile eines Onlinekaufs nutzen?" fragte er nicht allein. Seine Forderung und sein Tipp zugleich: "Die Händler müssen schnellstmöglich umdenken und sich dem Markt anpassen. Vor allem sollten sie sich in einem Verband gegen die Hersteller und deren Knebelverträge wehren!"

In der Brust von Matthias scheinen zwei Herzen zu schlagen: Er rät dem Fachhandel, sich
dem Online-Handel zu stellen. "Ich kaufe meine Ausrüstung trotzdem beim Fachhandel. Warum? Erstens Auswahl, zweitens Beratung und drittens hast du einen Ansprechpartner bei defekten Ausrüstungsgegenständen."  lauten seine Gründe.  "Es käme aber auch darauf an, wie dieser mit berechtigten Garantiefällen umgehe! Hier sieht man, ob der Kunde auch wirklich König ist. Da sägt sich der eine oder andere Fachhändler manchmal selbst den Ast ab auf dem er sitzt. Das Gute am Online-Handel bzw. an der Online-Welt ist die Recherche. Der Fachhandel lebt aber nicht nur vom Verkauf. Es ist das Angebot des Fachhandels was zieht: Ausbildung, Weiterbildung, Ausfahrten, Werkstatt etc."

Ja, ich brauche den Fachhandel...

Sehr bildhaft und leidenschaftlich formuliert Andreas seine Meinung. Er ist Forschungs- und Rettungstaucher bei der Feuerwehr und ist dennoch stets ein begeisterter Sporttaucher geblieben. Sein Fazit: "Ja, ich brauche den Fachhandel. Immer wieder. Weil jemand meine Regler revidieren soll. Weil ich Ausrüstung nicht unbesehen kaufen möchte. Weil ich bei Amazon nichts anfassen kann. Und weil ich auch nächstes Jahr noch bei einem Händler einkaufen möchte. Geiz ist nicht geil. Geiz sägt nur den Ast ab, von dem ich nächstes Jahr auch noch Obst pflücken möchte." Er weiß aber auch, warum es so verflucht schwer wird, eine gesunde, marktgerechte Handelsstruktur am Leben zu erhalten: "Ich habe keine Idee, ob dies ein Henne/Ei Problem ist. Geringe Margen führen zu schlechter Qualität. Schlechte Qualität lässt die Kundschaft wegbleiben. Laden wird in Teilzeit betrieben. Um nicht schließen zu müssen wird gespart, notfalls an der Qualität. Oder in anderer Reihenfolge? Oder noch ganz anders?"

Die Übersicht der Meinungsvielfalt allein im Bereich der User und Kunden zeigt, wie komplex das Thema ist. Ähnlich ist die Lage aber auch im Handel und bei den Herstellern zu sehen. Auch hier wird geheult, wenn es an arrivierte, gut fundamentierte und funktionierende Gewinnstrukturen geht. Und wenn Erklärungsversuche des einen mit: "Die Erfahrung zeigt, dass..." beginnen, folgt die Antwort des anderen "Manche halten das für Erfahrung, was sie 20 Jahre lang falsch gemacht haben" postwendend. Der Wandel hat sich stets seine eigenen Flussbette gegraben. Ob die Richtung dann immer stimmt oder der sprudelnde Quell am Ende ganz versiegt, hat immer die Zeit gezeigt. In diesem Sinne zum Abschluss noch eine schöne Floskel: "Nichts ist beständiger, als der Handel..." ääh ... Wandel. Natürlich.