Abenteuer Yap. Geht nicht - gibt's nicht!

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22.07.2014 17:08
Kategorie: Reise

Weltweit nehmen die Bestände der Mantas und Haie in dramatischer Geschwindigkeit ab. Im mikronesischen Yap, 300 Kilometer östlich von Palau, ist das Gegenteil der Fall: Vor fünf Jahren wurde das gesamte Staatsgebiet zum Manta-Schutzgebiet erklärt. Mehr als 1100 Kilometer von Ost nach West und 350 von Nord nach Süd. Davon profitierten nicht nur die "Fliegenden Teppiche", sondern auch die Haie und anderen Großfische.

Bericht von Andi Gerkes

"Jungs, ich habe einen Blick auf den Gezeitenkalender geworfen – seid ihr morgen um sieben Uhr dreißig schon in Manta-Laune?" Anderorts würde Basisleiter Jan Sledsens sicher nörgelige Töne à la "Wieso denn so früh?" ernten, nicht so auf Yap inmitten der heißen Manta-Saison im Winter.

Am nächsten Morgen macht der Stille Ozean seinem Namen alle Ehre und die Sonne lässt die Lagune vor dem Manta Ray Bay Resort strahlen wie Quecksilber. Weil das Team der Tauchbasis wie an jedem Tag die Ausrüstung der sechs Gäste bereits an Bord verstaut hat, trennen nur zwanzig Minuten Fahrt durch die Mangrovenkanäle Taucher und Knorpelfisch. Am "Stammtisch", einer Putzerstation am Ende des Mi'l Channel, wird an der Boje festgemacht und noch bevor der Shorty übergezogen ist, schallt der Startschuss über das kleine Speedboot: "Mantas voraus!"

Nach der obligatorischen Rückwärtsrolle findet man sich in einem flachen Geweihkorallenfeld, an dessen Westende einige Einbuchtungen ökologisch vertretbare Sitzgelegenheiten bieten. Der Computer zeigt kaum mehr als vier Meter Tiefe an als das Spektakel seinen Lauf nimmt...

Wie an einer Perlschnur aufgezogen ziehen fünf Mantas nacheinander über die natürliche Waschanlage. Sobald die Putzerlippfische ihre Arbeit aufnehmen, bremsen die Teufelsrochen ihren Flug auf Zeitlupentempo, bleiben in der Wassersäule stehen und öffnen der Putzkolonne Maul und Kiemenspalten. Kurz darauf begibt sich der erste auf Kollisionskurs mit den Tauchern und gleitet im Zentimeter-Abstand über die Köpfe. Formatfüllendes Foto mit Fisheye-Linse? Keine Chance, zu nah! Aber da kommen ja auch noch die vier anderen Mantas. Oder etwa nicht? Wie aus dem Nichts schießen im Freiwasser sechs Mantas Schwanz an Stirnlappen vorbei – es ist Paarungszeit – und nähern sich der Putzerstation von der Rückseite her. Fünf Mantas vor einem, sechs hinter einem. Wo soll man da jetzt eigentlich hinschauen?!

Julie Britsch, eine angehende Meeresbiologin, die wegen ihrer Forschungsarbeit über die Mantas von Mikronesien regelmäßig im Manta Ray Bay Resort weilt, schießt aus vollen Rohren bis die Blitzakkus aufgeben. Am Abend wird sie freudestrahlend Fotos von zwei "neuen" Mantas präsentieren, die sich durch ihre Bauchzeichnung deutlich von den rund hundert anderen in der Datenbank des Manta Ray Bay unterscheiden. Mittlerweile sind hundert Minuten vergangen, aber fünf Meter Tiefe und 30 Grad Wassertemperatur machen's eben möglich. Auch das "Grande Finale" fehlt nicht: Ausgerechnet ein halbwüchsiger Schwarzspitzen-Riffhai versucht sich mit offenem Maul an der großen Aufgabe die Mantas zu vertreiben. Zwergenaufstand am Stammtisch...



Die Anti-These zur Taucherfabrik: Grundzeit über 70 Minuten? Kein Problem. Haie & Mantas in acht Meter Tiefe? Kein Problem. Das alles nacheinander in zwei Tauchgängen? Kein Problem. Geht nicht gibt’s nicht!“

"Natürlich ist es nicht jeden Tag so wie heute", erklärt anschließend "Manta Man" Bill Acker, der heute wie an fast jedem Donnerstag mit den Gästen rausgefahren ist. "Mal sind es nur ein oder zwei Tiere, ab und zu gar keine, aber gerade jetzt in der Paarungszeit können es 15 oder beinahe doppelt so viele sein – das entscheidet Mutter Natur allein."

Logisch. Man kann sie ja schlecht "festtackern" am Riff. Das Wunder von Yap besteht ohnehin in der Qualität der Begegnung: Die Tiere sind oft schlichtweg superneugierig, genießen die Luftblasen aus den Atemreglern als natürlichen Jacuzzi. Manchmal lassen sich die Rochen so nah auf die Köpfe sinken, dass man denselben unwillkürlich einzieht und sich wundert, wie sie es schaffen, die Taucher bei aller Nähe nie zu berühren.

Es sind diese Details, die das Manta-Erlebnis auf Yap mehr als anderswo zu einem abstrakten, außerirdisch anmutenden Abenteuer machen. Allein Bill nervt es schon fast ein bisschen, dass die Insel oft nur mit Mantas gleichgesetzt wird: "Wir haben hier tolle Steilwände, viele Haie denen man richtig nahe kommen kann, etliche Makro-Motive, Höhlen, Mandarinfische – so viel mehr als nur die Mantas."

Dass es sie vor Yap nach wie vor gibt, im Gegensatz zu vielen Orten in Ostafrika und Asien an denen die chinesische Fischermafia zugelangt hat, verdanken sie auch Bill, seiner aus Yap stammenden Ehefrau Patricia und Tochter Numie, die mit ihren guten Kontakten zur Regierung durchaus Anteil daran hatten, dass 2009 das erste Schutzgebiet für Mantas im Westpazifik ausgerufen wurde. Nicht zuletzt fanden die Verhandlungen in seinem Resort, das Tauchbasis und Hotel vereint, statt.

"Von illegaler Fischerei ist Mikronesien natürlich genauso betroffen wie jeder andere Ort in den Weltmeeren, deshalb ist es umso wichtiger, dass in den Mangroven nicht mehr gefischt wird", erklärt der "Manta Man". "Diese Lagunen sind Kinderstuben für verschiedene Arten von Haien und anderen Großfischen." Dass die Ergebnisse so schnell Früchte tragen, überrascht selbst den Besitzer des Manta Ray Bay Resorts, der vor beinahe 30 Jahren den (Tauch)tourismus nach Yap brachte: "Ich habe mich mit Fischern unterhalten, und die sagen einstimmig, dass es noch nie so viele Haie auf Yap gab wie heutzutage."



"Flach, strömungsarm, und ohne Seekrankheit: Mantas und Haie gibt’s schon für blutige Anfänger."

Genau diese Haie jagen mir beim nächsten Tauchgang die Teufelsrochen-Flausen aus dem Kopf... Kaum mehr als zehn Minuten dauert die Fahrt zum Außenriff-Platz "Vertigo". Schon beim Anlegen an der Boje erscheinen in den kristallklaren Fluten die ersten Haie. Und weil die einstündige Oberflächenpause nun einmal obligatorisch ist, baden die Fotografen ihre Unterwassergehäuse vornüberhängend im Wasser.

Halb-und-Halb-Fotos mit Grauen Riffhaien und Schwarzspitzen-Riffhaien sind kein Problem. Als wir dann im feuchten Element angekommen sind, wimmelt das Wasser über dem hellen, auf den ersten Blick kahl anmutenden Riff vor Haien. Die Sicht liegt deutlich jenseits der 30 Meter, sodass die Sonnenstrahlen nicht nur auf den Rücken der Grauen Eminenzen tanzen sondern auch die Bauchpartie aufhellen. Darüber freuen sich die Filmer und Fotografen, weil sie so ganz ohne Kunstlicht auskommen.

Bills Ratschlag, sich mit etwas Abstand zu den Buddys einfach auf einen von der Brandung zerstörten Korallenblock niederzulassen und gleichmäßig zu atmen, geht voll auf. Keine fünf Minuten später ist der erste der rund zwanzig Haie bereits auf Armlänge herangekommen und füllt das Bild im Sucher. "Vertigo", soviel steht schon nach Minuten fest, ist ein ideales Fotostudio, das jedem Hai-Fan feuchte Augen beschert. Der jüngste Rekord bei einem Ködertauchgang lag bei knapp 50 Riffhaien. Maximal 17 Meter Tiefe, meistens sehr gute Sicht, wenig Strömung, anfängerfreundliche Bedingungen, mögliche Grundzeiten von bis zu 90 Minuten und an Menschen gewöhnte Tiere lassen kaum Wünsche übrig – auch bei einem "normalen" Tauchgang ohne Köderfische wenn nur zehn, zwanzig Haie da sind.

"David Fleetham hat hier beim MantaFest vor zwei Jahren nach einem Doppeltauchgang über tausend Bilder an die Oberfläche mitgebracht", berichtet Bill auf dem Rückweg. Wer einmal "Vertigo" betaucht hat, muss seine Fantasie dafür nicht mehr strapazieren. Auch nicht für die Erkenntnis, dass zwei aufeinanderfolgende 80-Minüter an "Stammtisch" und "Vertigo" an einem guten Tag einen Double Tank Dive bieten, den es so weltweit nirgendwo anders zu erleben gibt.

"Ohne Yap ist kein Mikronesien-Trip komplett – für 350 Euro fliegt man von Palau nach Yap und zurück."

Gerade die Schutzbemühungen machen besondere Begegnungen immer wahrscheinlicher. So gab es im vergangenen Jahr unmittelbar vor dem Saumriff der Insel regelmäßig Sichtungen von Hochsee- und Tiefwasser-Arten wie Seidenhaien und Silberspitzenhaien. Bei seinem einwöchigen Aufenthalt im Dezember begegnete der Autor nicht nur den "Standards" wie Grauen Riffhaien, Schwarzspitzen- und Weißspitzenriffhaien in den Riffkanälen und eben an "Vertigo", sondern auch einem kapitalen Silberspitzenhai und gleich mehreren der wirklich riesenhaften pazifischen Ammenhaie an der tiefen "Spanish Wall" im Westen der Insel. Fünf Hai-Arten in einer Woche sind eine Quote, die sich weder vor Polynesien noch Palau verstecken muss.

Mit der richtigen Mischung aus Planung und ein bisschen Glück lässt sich das Hai-Erlebnis zusätzlich pimpen: In den ersten drei, vier Tagen nach Neumond finden sich die Grauen Riffhaie zur schönsten Sache der Welt zusammen. Bevor sie in der Tiefe ihren rabiaten Liebesspielen nachgehen, lassen sie sich an Plätzen wie "Yap Caverns", "Yap Corner" oder auch im Mi'l Channel in kleinen Gruppen beobachten. Gerade zwischen Januar und März ziehen Schulen von Baby-Grauhaien durch diesen Kanal – ein absolut herzerwärmender Anblick, schließlich entsprechen die Kleinen mit überproportional großen Flossen und Augen dem gängigen Kindchenschema.

"Du hättest mal den Baitball vor zwei Monaten erleben sollen", schwärmt Manta Ray-Mitarbeiter Brad Holland beim abendlichen frisch Gezapften aus der Hausbrauerei auf dem Restaurant-Schiff Mnuw und zückt seinen Laptop. Über den Bildschirm flimmern Bilder von Bonitos, kleinen Gelbflossenthuns und Seidenhaien. "Wir sind nur mit Schnorchelsachen ins Wasser gegangen und am Ende mussten wir den Rückweg auf's Boot antreten weil es einfach zu wild wurde." Baitballs, Marlins, Spinnerdelfine, Pilotwale, Orcas in kristallklarem Wasser... auf Yap müsste man wohnen und den perfekten Tag abwarten können. Selbst wenn man die ganz großen Highlights bei einem ein- oder zweiwöchigen Aufenthalt nicht zu Gesicht bekommt, ist auf die Standards ziemlich Verlass.

Zwischen Anfang November und Mitte Mai sind Begegnungen mit den vor Yap ausgesprochen neugierigen Mantas so gut wie garantiert – das Manta Ray Bay Resort bietet auf Anfrage ein eigenes spezielles Garantie-Paket, nach dem Motto "Kein Manta – dann gibt’s das Geld für's Tauchen zurück". Solange keine heftigen Westwinde das Außenriff in eine Waschmaschine verwandeln, sind auch die ortstreuen Haie immer in Reichweite. Wann immer die Gäste wollen. Geht nicht, gibt’s nicht. "Dass unsere Gäste bei der Wahl von Tauchplatz und Grundzeit mitreden können, leisten wir uns weil wir mit unseren 35 Zimmern ein kleines familiengeführtes Tauchresort sind." Das (Tauch)leben läuft sehr entspannt und "laid back" ab; anders als im benachbarten Palau; auch die Szenerie an Land ist deutlich weniger von Nachtleben geprägt als von der traditionellen Kultur Mikronesiens. Gerade weil sich Tauchgebiete und Land so deutlich voneinander unterscheiden ist die Kombination Yap und Palau eigentlich Pflicht. Ganz einfach gesagt: Ein Urlaub, zwei Länder, zwei Kulturen, zwei Tauchgebiete. Mehr Gegenwert für's Ersparte.

Yap - Resort und weitere Infos


Manta Ray Bay Resort, Yap Divers
Manta Fest
FB Manta Ray Bay

Das hat auch Bill Acker erkannt und bietet seit einiger Zeit in Kooperation mit United Airlines günstige Tickets für die Flugverbindungen dienstags und samstags ab Japan via Guam (für Kombinations-Reisen nach Yap und Chuuk) und samstags von Palau nach Yap und retour an. "Wenn sich jemand für eine Reise nach Yap interessiert oder Flugtickets für die Kurzstrecke benötigt, stehe ich gern zur Verfügung: bill@mantaray.com." Der Gast ist eben doch König.

Video zum Thema:

 


Da wir im Bericht primär über Mantas und Haie berichtet haben, präsntieren wir hier ein Video mit der prächtigen Fischwelt abseits der "fliegenden Teppiche" und Haie.

Weitere Videos - und hier wieder einige mit den Yap-typischen Haien und Mantas - gibt es in unserer Videothek (Yap/Mikronesien).