Anglerfische. Die schnellen Schlucker

Teile:
30.03.2014 17:50
Kategorie: Biologie

Sie zu finden ist die schwierigste Aufgabe eines Tauchgangs. Sie dann zu fotografieren oder zu beobachten recht einfach, da sie sich auf ihre Tarnung verlassen und brav sitzen bleiben. Was man den behäbig im Riff lauernden Fischen aber gar nicht zutraut, ist dass sie ihre Beute in Weltrekordzeit verschlingen.

Auf "Anglerausflug" mit Harald Mathä

Jetzt mal ehrlich: Wer hat schon selbst einen Anglerfisch entdeckt? So ganz ohne Guide der verzweifelt auf ein Stück Schwamm oder Seescheide deutet, weil da was sein soll. Meist erkennt man dann irgendwann ein Auge oder eine Brustflosse, die sich irgendwo abstützt. Oder eine Schwanzflosse. Und so konkretisiert sich das Stückchen irgendwas dann als "Fisch". Als ziemlich seltsames Exemplar von Flossenträger, das sich in einem Schwamm verspreizt - oder als Seescheide verkleidet hat. Oder so fransig wie ein alter Flokatiteppich am Meergrund herumliegt.

Nomen est omen

Und so besitzen auch fast alle Anglerfische eine Angel. Der erste Strahl Rückenflosse ist als solche umgebildet und trägt meist einen Köder, der wie eine Garnele, ein Würmchen oder wie irgendein "Bommel" aussieht. Nicht nur das Aussehen, sondern auch die typischen Bewegungen des Köders werden perfekt imitiert. Meist dauert es nicht lange, bis ein Opfer auf diese perfekte Illusion reinfällt!


Peckham’sche Mimikry

Hat nichts und auch gar nix mit Victoria, dem ex-Spice Girl zu tun, die mit dem englischen Fußballer verheiratet ist. Die schreibt sich auch mit B und interessiert sich wahrscheinlich weder für Frogfish noch für Mimikry oder marine Verhaltensforschung. Schade eigentlich, oder doch besser so?

Jedenfalls ist Peckham’sche Mimikry (Angriffs Mimikry) das, was die Anglerfische machen: Sie locken ihre Beute an, indem sie mit ihrer Angel vorgeben eine leckere Beute zu sein. Während dem Opfer schon das Wasser im Mund zusammenläuft und es sich schon auf ein "leckeres Fresschen" freut, ist es schon im Magen des Anglers gelandet. Eine andere Fischart, die dies auch erfolgreich praktiziert, ist der Seeteufel: Dieser hat am vordersten, isoliert stehenden Strahl seiner Rückenflosse ein Hautanhängsel. Bewegung ähnlich eines Wurms lockt andere Fische an, die so zur leichten Beute werden.

Unter Mimikry versteht man landläufig eigentlich das Gegenteil, nämlich wenn eine harmlose Art eine gefährliche Art imitiert, um nicht angegriffen zu werden. Ein schönes Beispiel dafür sind unsere harmlosen Schwebefliegen, die sich als böse Wespen tarnen.

Dass Angler so perfekt getarnt sind, hat nicht nur damit zu tun, dass sie "hinterfotzige Lauerjäger" sind. Sie dürften auch ziemlich gut schmecken und eine leichte Beute sein. Denn ist ein Angler einmal entdeckt, so landet der langsame Schwimmer im Nu im Magen eines Raubfisches!

Infobox Anglerfische (Schaukelfische)

Arten: etwa 50 Arten in 12 Gattungen
Familie: Antennariidae
Englisch: Frogfish (froggy)
Länge: bis 35cm
Lebensraum: reine Boden- und Riffbewohner tropischer und subtropischer Meere
Aussehen: Perfekt getarnt und unfischig
Nahrung: Alles was sich bewegt und halbwegs in den Magen passt
Verwechslungsmöglichkeit: Drachenköpfe, Steinfische, abgebrochene Korallen, Algen, Seegras, etc.
Linktipp: www.frogfish.ch
Bildergalerie: Fotodatenbank Taucher.Net (Anglerfische)

 

Sechs Millisekunden

Das sind 0,006 Sekunden oder 6/1000s. Solange dauert es, bis ein Anglerfisch sein Maul aufgerissen und angesaugt hat oder ein LED am Monitor reagiert. Kein konventionell arbeitender Muskel schafft dies in so extrem kurzer Zeit. Der Laie staunt und der Fachmann rätselt, wie der kleine Fisch das schafft. Dem Angler ist das egal, weil er das schon immer so gemacht hat und es für ihn ganz einfach und problemlos funktioniert.

In diesen sechs Millisekunden hat der kompliziert gebaute Kiefer einen gewaltigen Unterdruck aufgebaut und die Beute samt einem Schwall Wasser eingesaugt. Das Wasser wird durch die Kiemen wieder nach draußen gepresst, die Beute landet im Schlund. Zerkaut wird nix, in so einer kurzen Zeitspanne ist da auch gar keine Zeit dafür. Darum haben Anglerfische keine Zähne im Maul sondern nur Gaumenzähne, die verhindern sollen, dass die Beute aus dem Rachen dann doch noch entkommt. Die Beute kann sogar größer als der Angler sein, denn sein Magen ist extrem dehnbar.

"No Sports"

Als sportlich kann man Anglerfische wahrlich nicht bezeichnen. Am liebsten krabbeln und klettern sie auf den Vorderflossen durchs Riff (siehe auch Video am Ende des Berichts), etwas schneller geht es auf allen Vieren "im Schweinsgalopp".

Wenns mal wirklich pressiert, dann können sie auch schwimmen. Das ist dann der Fall, wenn sie auf der Flucht sind, oder wenn ihnen nach Sex ist. Beides kommt nur selten vor und dann bietet die kleine Schwanzflosse kaum ausreichend Vortrieb um weiter als ein Stückchen durchs Wasser zu fliegen. Danach ist eine längere Pause angesagt.

Eine andere Fortbewegungsart ist Wasser einzusaugen und über die Kiemen wieder raus zu pressen. Diesen "Düsenantrieb" benutzen besonders gerne Jungtiere.

Angler im Abyss?

In der Tiefsee gibt es ebenfalls Anglerfische. Wie so vieles in der unbekannten Welt "da unten" wachsen in den Abyssalen der Ozeane die wunderlichsten und bizarrsten Lebewesen heran (siehe z.B. Bild unten Mitte). Ein Hieronymus Bosch könnte sie nach einer großen Tasse Stechapfel-Bilsenkraut Tee erdacht haben. Riesige Mäuler voll spitzer Zähne, dazu laternenartige Leuchtorgane und riesige Augen. Über die Tiefsee wissen wir weniger als über die Oberfläche des Monds. Was mit Tiefseenetzen gefangen wird, ist an der Oberfläche tot, deformiert oder geplatzt. Forschungs-U-Boote sind rar und können nur einen winzigen Einblick in die Tiefsee gewähren - mit Glück auch auf einen Tiefsee-Anglerfisch.


Epilog

"Anglerfische fotografieren ist nicht schwer, sie zu finden dagegen sehr!" besagt ein altes Tauchersprichwort. Noch schwieriger hingegen dürfte es sein, einen Angler beim Schnappen der Beute abzulichten, denn in 0,006 Sekunden hat er sein Maul aufgerissen und kurz danach ist die Beute schon im Schlund verschwunden! Mit einer Blitzsynchronzeit von 1/60 Sekunde ist man da meist zu langsam!

Video zum Thema:

 


Ein tolles Video (auch gezeigt am Kurzfilmfestival in San Diego) zeigt den Anglerfisch in einigen fantastischen Sequenzen (ab 0:38). Ein sehenswertes Video mit guten Einblicken in die Fortbewegungsarten und Jagdmethoden des Anglerfisches. Danke an Dénise Glazer (Purple Twins) für die Bereitstellung.