Herzenssache. Oder: Wie kommt das Loch ins Herz?

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07.12.2011 14:47
Kategorie: Medizin


Wie kommt das Loch ins Herz? Vor der Geburt, solange die Lunge noch nicht mit Luft gefüllt ist, fließt nur wenig Blut durch die Lunge, der Großteil gelangt direkt durch den sogenannten Ductus botalli vom rechten in den linken Vorhof, von wo es über die rechte Herzkammer in den Kreislauf zurückkehrt.

Mit dem ersten Atemzug des Neugeborenen steigt die Durchblutung der Lunge, und durch den steigenden Druck im linken Vorhof verschließt sich dieser Gang normalerweise. Aber eben lange nicht in allen Fällen. Manchmal bleibt diese "Abkürzung" offen – eben als sogenanntes Foramen ovale.

Bericht von Kirsten

Ich habe ein solches PFO, und mit meiner Geschichte hoffe ich, ein wenig mehr Bewusstsein für diese Problematik zu schaffen. Denn obwohl ich mehrfach von Beschwerden berichtet habe, bis hin zum sehr heftigen Kreislaufeinbruch, hat erst sehr spät jemand richtig erkannt, was Sache ist.

Probleme von Beginn an

Ich habe dreimal einen Tauchkurs gemacht, bevor ich wirklich angefangen habe zu tauchen und dachte eigentlich, ich hätte eine gute Ausbildung – und vor allem auch aus ihr gelernt! Ich rauche nicht, trinke nur sehr wenig Alkohol, und auch wenn ich ein paar Polster auf den Oberschenkeln habe, so bin ich doch nicht dick. Ich bin einigermaßen sportlich und fit und fahre jeden Tag fast 20 Kilometer Rad. Ich fühle mich am und unter Wasser super-wohl. Mir wird auch bestätigt, dass ich für einen Tauchanfänger – und als solchen betrachte ich mich mit meinen 50 Tauchgängen nach wie vor – sehr gut anstelle. Tarierung und Luftverbrauch sind gut, ich tauche langsam und ruhig aus und habe mich immer an die Anweisungen meiner Tauchlehrer gehalten.

Und trotzdem habe ich von Anfang an immer wieder Probleme gehabt. Mir hat nach dem Tauchen die Haut an den Oberschenkel-Außenseiten sehr weh getan. Es hat gebrannt, gejuckt, war geschwollen und heiß – in etwa so, als ob man nach einem Spaziergang im Kalten wieder ins Warme kommt und auftaut, nur schlimmer. Und ja, die Haut war auch gerötet und wies gescheckte Muster auf – ebenfalls etwas, was ich kenne, wenn mir richtig kalt war und ich wieder auftaue. Die genannten Fettpolster speichern Kälte nun mal sehr gut.

Anzeichen nicht erkannt

Auch wenn die ersten echten Freiwasser-Tauchgänge im Dezember stattgefunden haben– so kalt war es mit 5,5mm Neopren auf den Kanaren dann doch nicht. Die ersten Beschwerden, an die ich mich erinnere, kamen an dem Tag, als wir unseren Tieftauchgang für den AOWD auf 38 Meter gemacht haben. Am selben Tag tauchten wir noch ein zweites Mal auf maximal 22 Meter. Beide Tauchgänge haben wir sauber ausgetaucht. Danach sind wir dann mit unserem Gerödel die paar Hundert Meter zur Basis gelaufen.

Einige Zeit nach dem Tauchen fingen meine Oberschenkel an zu schmerzen. Heute kann ich mich leider nicht mehr erinnern, ob meine Haut auch schon an den Tagen davor wehgetan hat. Abends saßen wir mit einem Tauchlehrerpärchen – er sogar ehemaliger Berufstaucher – beim Kochen und ich erzählte von meinen Schwierigkeiten, genauso wie am nächsten Tag auch dem netten Betreiberpaar der Tauchschule.

PFO - Blasen

Doch keiner der vier hat die Anzeichen als Taucherkrankheit erkannt. Mir wurde geraten, den Unterzieher wegzulassen, es könnten "Squeezes", also Druckstellen durch den zu engen Tauchanzug sein. Es könnte eine Allergie gegen das Neopren sein. Das Stichwort Taucherkrankheit/DCS fiel nicht. Denn schließlich war nichts Ungewöhnliches vorgefallen, und alle anderen waren ohne irgendwelche Probleme aus dem Wasser gekommen. Auf die Idee, dass mein Körper einfach so empfindlich auf das Tauchen reagieren könnte, ist keiner gekommen – auch ich nicht.

"Nachschwimmer-Mentalität"

Leider habe ich zu sehr auf andere vertraut, ohne mich selbst schlau zu machen. Also bin ich weiter getaucht, denn die Schmerzen tauchten ja auch nicht nach jedem Tauchgang auf, und unter Wasser war alles ok. Letzteres ist ein deutliches Anzeichen dafür, dass es sich um DCS handeln kann, denn unter Wasser lösen sich die Blasen, die den Schmerz verursachen, wieder im Blut und im Gewebe.

Während dieses Urlaubs machten wir unseren AOWD. Obwohl ich schon zweimal einen Tauchschein und auch einige Tauchgänge in sehr flachem Wasser absolviert hatte, machte ich den Lehrgang noch ein drittes Mal mit, denn mein letzter Zug aus der Flasche lag immerhin schon über neun Jahre zurück, und ich wollte gerne auf Nummer sicher gehen.

Leider hatten wir für unseren ersten Tauchurlaub noch keine eigenen Tauchcomputer, und auch die Basis konnte uns wider Erwarten keine ausleihen. So habe ich mir vielleicht ein wenig eine "Nachschwimmer"-Mentalität angeeignet. Mich hat es in falscher Sicherheit gewiegt, dass ich mit allem, was mit Tauchgangsplanung und deren Einhaltung zu tun hatte, nichts zu tun hatte. Meine Aufgabe war es, hinter dem Tauchguide herzuschwimmen, schöne Fotos und Videos zu machen, auf meine Tarierung zu achten und allen Anweisungen zu folgen – ach ja: Spaß wollte ich auch haben.

All das hat auch wunderbar geklappt. Die Tauchgänge waren schön, wir haben viel gesehen, aber nicht so viel gelernt über die "Mechanik" und Physiologie des Tauchens, wie es im Nachhinein betrachtet gut gewesen wäre. Ich habe nicht gelernt, wie ich einen Tauchcomputer zu bedienen habe, welche Zahlen wirklich wichtig sind, was er mir alles sagen kann. Auch manch praktische Aspekte, etwa wie stark körperliche Anstrengung direkt nach dem Tauchen die Stickstoffbelastung des Körpers beeinflusst, sind mir nicht bewusst geworden. Auch dass es sinnlos ist, am Ende des Tauchgangs im flachen Wasser noch Luft zu sparen, habe ich nicht gelernt.

Jeder ist selbst verantwortlich

Erst später wurde mir klar, dass es sinnvoll ist, dort möglichst alle Luft durchzuziehen, um den in der Tiefe aufgenommenen Stickstoff abzuatmen. Mancher mag jetzt denken: banal – ist doch logisch! Aber mal ganz ehrlich: Welcher Tauchanfänger möchte nicht auch mit den "Schweißnahtatmern" mithalten, die noch 150 bar auf der 10er-Flasche haben, während andere schon die 15er-Flasche leergesaugt haben? Geringer Luftverbrauch gilt als ein Zeichen guter Tauchfähigkeiten. Und es gibt auch noch ein Lob vom Tauchlehrer.

Und wenn ich hier ganz bewusst niemanden namentlich nenne, von dem ich etwas gelernt oder eben nicht gelernt habe, dann deshalb, weil ich weiß, dass nur ich selbst für mein Wissen oder Unwissen verantwortlich bin – niemand sonst. Denn, und auch das habe ich gelernt, jeder Taucherkörper ist anders, reagiert anders, selbst von Tauchgang zu Tauchgang, von Tag zu Tag. Außerdem weiß ich, dass meine Tauchlehrer gut waren – und tauchen kann ich ja auch sehr gut, trotz der relativ geringen Anzahl an Tauchgängen.

Unser nächster Tauchurlaub führte im Mai 2011 wieder auf die Kanaren, diesmal allerdings auf eine andere Insel. Auch hier hatte ich mehrfach Probleme mit den Oberschenkeln. Am letzten Tag machten wir zwei Tauchgänge, die auf 23,5 und 26 Meter Tiefe gingen. Ein guter Teil beider Tauchgänge verlief im flachen Wasser. Am Ende beider Tauchgänge haben mein Buddy und ich jeweils etwa 10 Minuten im flachen Wasser die Mole erkundet und Fotos gemacht. Nach 45 bzw. etwa 50 Minuten sind wir wieder aus dem Wasser, dazwischen lag eine Stunde zehn Minuten Oberflächenpause, die wir gemütlich in dem Café direkt neben dem Einstieg verbracht haben. Wir wollten sogar noch einen dritten Tauchgang machen – den ersten ohne Überwachung des Tauchlehrers, da er uns für gut und sicher genug hielt und wir inzwischen auch den Tauchplatz kannten.

Marmorierte Haut

Doch dann ist mein Kreislauf total weggesackt. Zunächst merkte ich nur, dass mir schwummerig wurde, das hat sich immer mehr verstärkt. Dazu musste ich dringend auf die Toilette, weil mein Darm rumorte und kniff. Nach etwa 20 Minuten hatte sich mein Kreislauf wieder stabilisiert. Auf Nachfragen unseres Tauchguides versicherte ich ihm es ginge mir gut, ich hätte eventuell zu wenig getrunken und das ich häufiger Probleme mit dem Kreislauf hätte. Letzlich habe ich mich im Hotel aufs Bett gelegt und gewartet, bis es mir besser ging. Als mein Mann kam, machte er noch ein paar Fotos von meinem Bauch und Oberschenkeln, die wieder marmoriert waren (der Fachausdruck dafür lautet übrigens Cutis marmorata). Diese Bilder habe ich dann noch am selben Abend dem Tauchlehrer gezeigt – doch auch hier hat er nicht reagiert. Und das ist der einzige Punkt, an dem ich im Nachhinein erstaunt bin.

Abends ging es mir wieder gut, und meine Beschwerden, bis auf nachlassende Schmerzen in den Oberschenkeln, waren verschwunden. Den nächsten Tag haben wir tauchfrei am Pool verbracht und sind am Tag drauf gegen Mittag wieder zurück nach Deutschland geflogen. Während und nach dem Flug hatte ich keine Beschwerden.

DiveInside Gozo

Mein nächster Ausflug in die Welt der Blubberblasen erfolgte Anfang Oktober 2011 im Rahmen des Projektes "DiveInside Gozo". Sonntag Anreise und Montag früh der erste Tauchgang. Und leider – bzw. zum Glück – auch noch ein zweiter hinterher. Der erste Tauchgang führte am Inland Sea zunächst auf etwa 32,6 Meter Tiefe, von wo wir dann langsam wieder aufstiegen. Laut Auswertung des Profils (s. Abb. unten links) befand ich mich dabei zwar ein paar Minuten in der Dekompression, aber dies habe ich durch einen sehr langsamen Aufstieg von zwölf auf fünf Meter ausgeglichen, der 25 Minuten dauerte. Auch wenn ich während des Sicherheitsstops auf fünf Metern anscheinend noch einmal unbemerkt zwei Meter abgesackt bin.

Nach dem Auftauchen ging es mir gut, und wir diskutierten, ob und wo wir einen zweiten Tauchgang machen würden. Wir entschieden uns, das Azure Window zu tauchen. Es liegt direkt neben der Inland Sea, und so konnten wir schon nach 50 Minuten wieder ins Wasser. Allerdings mussten wir in dieser Zeit zum Tauchplatz laufen und auch unser Gerödel die etwa 200 Meter vom Fahrzeug über recht schwieriges Gelände tragen.
Der Tauchgang selber war sehr schön, obwohl ich mich beim Briefing schon gewundert hatte, warum wir die mit 22 Metern tiefste Stelle am Ende des Tauchgangs machen. Aber als braver Anfänger hält man ja den Mund... (FALSCH, wie ich jetzt weiß.) Jedenfalls zeigt das Profil (s. Abb unten rechts) deutlich, dass dieser Tauchgang andersherum wesentlich geschickter gewesen wäre. Die Zacke in der Mitte des Profils kommt übrigens daher, dass ich einmal beim Fotografieren nicht gut genug tariert habe und ein wenig aufgestiegen bin.



Kirstens Tauchprofile der beiden Tauchgänge auf Gozo.

 

Der tiefe Abstieg auf knapp über 26 Meter rührt daher, dass wir nur auf dieser Tiefe in den Kamin einsteigen konnten, den unser Tauchguide uns nicht vorenthalten wollte. Im Kamin selber habe ich trotz meiner Bemühung, sehr langsam aufzusteigen, zweimal eine Aufstiegswarnung vom Computer bekommen. Der Rest des Tauchgangs verlief überwiegend in einer Tiefe von fünf Metern bis zum Ausstieg. Danach folgten das beschwerliche Klettern über die Felsen, die Leiter und der kurze Anstieg zum Parkplatz. Zeit für eine kurze Pause hatten wir nicht. Wir waren schon viel zu spät dran und mussten uns wirklich sputen, weil wir an der Basis für eine Inselrundfahrt verabredet waren.

Dekokammer statt Begrüßungsdinner

Ich weiß nicht mehr genau, wann ich die ersten Anzeichen von Schmerzen im Oberschenkel verspürte, aber spätestens eineinhalb Stunden nach dem Auftauchen bekam ich Kreislaufprobleme. Da hatte ich auch schon ein leichtes Brennen in den Oberschenkeln. Die Kreislaufprobleme kündigten sich mit leichtem Flimmern vor den Augen an, dann wurde mir richtig schwummerig, und ich habe mich lieber in den Schatten gesetzt – und zwar da, wo ich stand.

Meine Tauchkollegen haben sich rührend um mich gekümmert. Auch jetzt verspürte ich wieder das schon bekannte Bauchgrimmen, und auch hier war zum Glück eine Toilette in der Nähe! Nach etwa zehn Minuten ging es wieder so weit, dass ich meinte, es zum Bus zurückzuschaffen. Doch auf halber Strecke war es damit vorbei und ich erbrach mich. Zurück im Bus, legte ich mich hin und die Füße hoch. Am nächsten Stopp blieb ich im Bus. Noch waren wir uns nicht einig, ob ich nur einen Sonnenstich habe, einfach zu wenig getrunken oder ob es doch ein Tauchunfall war. Jetzt spürte ich auch wieder die Schmerzen in den Oberschenkeln deutlich. Daher suchte ich die Toilette auf – in dem schummrigen Licht wirkten meine Oberschenkel schon fast blau gemustert. Als Herbert und Armin von Taucher.Net dies sahen, war daher beschlossene Sache, dass ich ins Krankenhaus gehöre. Somit wurde ein zusätzlicher Stopp in die Stadtrundfahrt aufgenommen.

Dort hatte ich innerhalb von fünf Minuten eine Sauerstoffmaske auf und wurde sehr gründlich untersucht. Um kurz vor sechs ging es für 2,5 Stunden in die Druckkammer. Nicht gerade das, was man freiwillig dem Begrüßungsdinner in der Zitadelle vorzieht, wo sich der Rest der 30-köpfigen Gruppe den Bauch vollschlug. Zur Krönung musste ich auch noch über Nacht bleiben. Zurück in Deutschland habe ich auf Anraten von Armin die Tauchärztin Dr. Anke Fabian in Heidelberg aufgesucht. Nach einem ausführlichen Gespräch riet sie mir zum Bubble-Test, der dazu geführt hat, dass ich meinem Herzen, wie oben beschrieben, beim Schlagen zusehen durfte. Und den Blasen bei ihrem Übertritt.

Schmerzen nach dem Tauchen? Ab zum Taucharzt!

Für mich ist im Nachhinein erstaunlich, wie leicht man leichtsinnig wird, ohne es zu wollen, zu wissen oder auch nur zu ahnen. Auch die diversen erfahrenen Taucher und Tauchlehrer haben nicht reagiert, obwohl ich in den Worten von Herbert Gfrörer von Taucher.Net "ein klassisches Ausstellungsstück von einem PFO" bin... Die Tauchcomputer beziehen in ihre Gleichungen die meisten Eventualitäten mit ein, sodass man ein sehr sicheres Gefühl bekommt. Man hält sich an die Regeln und dann ist schon alles ok. Nein, so einfach ist es leider nicht für alle. Und wenn dann noch ein paar Faktoren hinzukommen wie bei mir: ein bisschen zu wenig getrunken, die Periode bekommen, allgemeiner Stress und körperliche Anstrengung nach dem Tauchen und ein nicht ganz kleines PFO, dann kommt es eben zum Tauchvorfall. Denn ein Unfall impliziert immer, dass etwas Ungewöhnliches vorgefallen ist, dass etwas schief gegangen ist – das ist es bei mir nicht. Mein Körper hat, wie die sehr vieler anderer auch, nur eine Anlage, die mit dem Tauchen nicht gut vereinbar ist. Jetzt habe ich die Wahl: verschließen lassen oder nie wieder tauchen. Und übrigens – im normalen Leben merke ich nichts davon. Mein Blutdruck ist recht niedrig und mir rutscht auch mal der Kreislauf weg, aber ansonsten: alles in Ordnung. Also, falls auch du nach dem Tauchen ohne erkennbaren Grund Schmerzen in oder unter der Haut hast, besonders, falls diese marmoriert ist oder wenn dir der Kreislauf weggeht: Sprich mit einem Arzt – einem Taucharzt! Natürlich gibt es auch noch andere Anzeichen, und sie können bei jedem anders auftreten. Aber wenn es dir nach dem Tauchen ohne erkennbaren Grund schlecht geht, dann kann es durchaus am Tauchen liegen, auch wenn Dein Buddy mit demselben, völlig harmlosen Profil keinerlei Probleme hat.

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