Kap der Haie. Tauchen vor Kapstadt

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01.02.2013 11:03
Kategorie: Reise


Kapstadt ist kein einfaches Tauchgebiet: Häufig Wellen, Kälte, wenig Sicht. Dafür kommt es unter Wasser zu Begegnungen mit Meeresräubern, die ein Teil der Taucher fürchtet und ein anderer geradezu herbeisehnt. Eine der besten Ausgangsbasen hierfür liegt in Simonstown und schon ihr Name sagt, was Sache ist: Sharkexplorers.

Bericht von Linus Geschke

Eines ist klar: Südafrika ist kein Platz für "Chicken Diver", wie die typischen Urlaubstaucher hier oft genannt werden. Südafrika, das ist rau, das ist wild, da ist der ganze Taucher oder die ganze Taucherin gefragt – und am besten sollten sie auch seefest sein.

Acht Personen soll die Tauchgruppe umfassen; der erste kapituliert schon angesichts des Seegangs, der zweite beim Blick auf das kleine Schlauchboot, mit dem es aufs Meer hinaus geht. Den Übriggebliebenen macht Tauchguide Bearnard Campbell bei der anschließenden Besprechung schnell klar, was Sache ist: "Das hier, Ladys and Gentleman, ist kein Platz für Weicheier, für sonnenverwöhnte Warmwassertaucher. Kein Mensch kommt nach Kapstadt, um sich gemütlich an farbenprächtigen Riffen vorbeitragen zu lassen. Hierhin kommt man, um das wirklich große Zeug zu sehen – das Zeug, das auch beißen kann!" Dann greift er tief in die Anekdotenkiste und erzählt von weit vor der Küste lebenden Blauhaien, die nur mal kurz an den Flossen der Taucher knabbern, weil sie ja keine Arme hätten, mit denen sie die fremden Wesen begutachten könnten. Was für ein Brüller – der nächste Gast entscheidet sich, den Tag lieber an Land zu verbringen.



Campbell nennt diese Art der Motivation seine "natürliche Auslese". Wer jetzt schon Angst habe, könne unter Wasser beim Anblick eines Hais schnell in Panik geraten und das ist das Einzige, was dem gebürtigen Schotten Angst macht: "Nicht der Hai bringt den Taucher um. Der Taucher bringt den Taucher um. Solange man entspannt bleibt und sich an die Regeln hält, ist das Tauchen mit Haien eine recht sichere Sache." Bevor man nun lange überlegen kann, warum er vor der sicheren Sache ein "recht" gesetzt hat, geht es auch schon los. Zwei starke Außenborder peitschen das Schlauchboot durch die Brandung und man hofft, schnell genug ins Wasser zu kommen, bevor der Mageninhalt seinen Weg nach oben findet.

Schwierige Gewässer


Die Gegend rund um das Kap der guten Hoffnung gilt Seefahrern seit jeher als eines der schwierigsten Gewässer. Hier, wo der Atlantik auf den Indischen Ozean trifft, liegt ein wahrer Wrackfriedhof auf dem Meeresgrund. Doch Campbell hat heute keine der versunkenen Schiffsruinen auf dem Tourenplan. Während der Fahrt deutet sein Zeigefinger nach vorne, hin zu Patridge Point, einem Felsen in Küstennähe, von dem aus Seelöwen ins Meer springen. "Wisst ihr, was das ist?", fragt er seine Gäste. "Robben", sagt Celine, eine junge Französin. „Nein“, sagt Campbell und lacht. "Das ist Nahrung – Nahrung für den Großen Weißen!"

Kurz darauf ist das Boot am Pyramide Rock angekommen. Mit vier Gästen lässt sich Bearnard Campbell ins Wasser fallen. Die Französin bleibt an Bord, sie hat es sich im letzten Moment noch anders überlegt. Kalt ist das Wasser hier, lediglich zwölf Grad, und die Sichtweiten sind nicht überragend: Nach gut zehn Metern verschwimmt jede Kontur mit dem dunklen Grün. Mächtige Kelpwälder erheben sich vom Meeresboden, ihre Blätter schwingen in der Strömung hin und her und es sieht aus wie in einem verwunschenen Märchenwald.

Plötzlich schießen aus dem Grün dunkle Schatten auf die Taucher zu und drehen ab, kurz bevor es zur Kollision kommt. Seelöwen, nur neugierige Seelöwen, und der Pulsschlag beruhigt sich langsam wieder. Campbell hält kurz inne und schaut sich um, als warte er auf etwas, dass die anderen Taucher erst später sehen könnten. Dann kommt der Hai. Es ist ein Puffotter-Katzenhai und er ist nur fünfzig Zentimeter lang. Der scheue Winzling, dessen Körper mit orangefarbenen und weißen Flecken betupft ist, wendet wie ein Helikopter auf der Stelle und verschwindet rasend schnell im schützenden Kelp. Doch lange bleiben die Taucher nicht alleine: Der nächste Hai nähert sich, und diesmal ist es ein anderes Kaliber.



Der Breitnasen-Siebenkiemerhai hat nicht nur einen sonderlichen Namen, er sieht auch genauso aus. Skurril, altertümlich, wie ein lebendes Fossil. Ganz langsam zieht er an der Tauchgruppe vorbei, dann folgt ein zweites Exemplar, ein drittes. Wer diese bis zu drei Meter großen Haie sieht, mag kaum glauben, dass manche Experten (www.hai.ch) sie als "potentiell gefährlich" einstufen. Auch einer der Taucher lässt sich von der Optik täuschen und versucht, den Hai an seiner Unterseite zu streicheln. Das ist nicht ganz ungefährlich – weniger wegen dem Hai als wegen Campbell, der bei so viel Unvernunft unter Wasser fast einen Tobsuchtsanfall bekommt.


Weitere Infos:


Die SHARKEXPLORERS haben mit ihrer Basis in Simonstown den idealen Standort und bieten Touren zu den Blauhaien, Makohaien, Siebenkiemenhaien, Seelöwen und den Weißen Haien an, die auch alle in einer sogenannten SHARKAHOLIC EXPEDITION verbunden werden können.

Mehr Informationen unter: Sharkexplorers, Simonstown



Fast eine Dreiviertelstunde verbringt die Gruppe noch bei den Siebenkiemern, dann geht der Luftvorrat langsam zur Neige. Die Taucher verlassen den Märchenwald und steigen auf, hinauf in die verregnete Realität.

Haie hinter Gittern


Und die Weißen Haie? Wenn man rund um Kapstadt tauchen geht, erzählt Campbell auf der Rückfahrt, seien sie immer in der Nähe, obwohl man sie nur selten sehe. Außer auf Touren, bei denen die Tiere angefüttert werden, während man selber sicher in einem Käfig steht. Der erfahrene Taucher ist kein Freund solcher Touren: "Ich mag das nicht und auch nicht die Fotos, die dabei entstehen und bei denen der Hai oftmals mit aufgerissenem Maul in die Käfigstäbe beißt. Die dienen doch nur dazu, das völlig falsche Bild einer Bestie zu fördern."

Wenn Campbell dagegen einen Weißen Hai sieht, ist es immer Zufall. Es sind ungeplante Begegnungen, bei denen sich das Tier auch völlig anders verhält, als wenn gleichzeitig Futter im Wasser wäre. Scheu, meint der erfahrene Tauchguide, fast schon schüchtern würde der große Räuber dann wirken. Weiße Haie, die aus dem Nichts heraus einen Taucher attackieren? So etwas habe er noch nicht erlebt.

Für Touristen dagegen sieht es anders aus: Wer nicht hier lebt und ewig Zeit hat, um auf eine Zufallsbegegnung zu warten, für den gibt es eine einfache Rechnung: "No feed, no shark!" Das kann man nun gut oder schlecht finden, aber so ist es: Wer Weiße Haie wirklich sehen will, kommt um das Anfüttern nicht herum – auch, wenn Campbell persönlich kein Freund davon ist.



Ob Blauhai, Siebenkiemer oder Weißer Hai: Für Campbell sind dies lediglich große Raubfische, denen er mit Respekt begegnet, aber keine Monster. Eine Bedrohung sieht er in ihnen nicht: "Es ist ja nicht so, als würden sich die Haie aus dem Meer erheben, in unseren Lebensraum eindringen und uns angreifen. Wir sind es, die den Lebensraum des Haies aufsuchen. Dass uns ein solcher Spitzenprädator darin überhaupt duldet und maximal gleichgültig bis leicht neugierig reagiert, ist vielleicht die beeindruckendste Erkenntnis, die ein solcher Tauchgang vermittelt." Celine nickt: Morgen, sagt sie, morgen will sie mutiger sein und es auch wagen. Zumindest, wenn die Sonne scheint.


Video zum Thema:




Weitere Tauchvideos zu Südafrika finden sich hier.