Tansania. Vom Dach Afrikas zu Sansibars Untiefen

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23.12.2013 08:54
Kategorie: Reise


Normalerweise lautet ein Dilemma der Ferienplanung vieler Taucher folgendermassen: Welche Top-Tauchdestination bietet zudem Möglichkeiten zur sportlichen oder kulturellen Abwechslung? Einerseits, weil Nichttaucher mitreisen, andererseits als Absicherung, dass dem Vieltaucher keine Schwimmhäute wachsen.

Bericht von Dominik Vögtli

Allzu oft wird vergessen, dass die gewählte Tauchdestination auch über Wasser einiges zu bieten hat. Beispielsweise sind viele Taucher in Ägypten "Wiederholungstäter", haben aber ausser der zweifellos eindrücklichen Unterwasserwelt nichts vom Land gesehen und weder die Pyramiden von Gizeh noch die Tempel von Luxor besucht. Immer unter der Voraussetzung, dass die Sicherheitslage im Reiseland solche Nebenprogramme überhaupt zulässt. Gerade für längere Tauchurlaube bietet sich ein solcher Ausflug an einem tauchfreien Tag an, ebenso als "Entsättigungsprogramm" nach einer stickstoffintensiven Tauchsafari.

Beim folgenden Reiseplan werden nun die Prioritäten getauscht und das Tauchen zur Nebensache degradiert. Nicht, weil das Tauchen dort enttäuschend ist, ganz im Gegenteil. Doch die möglichen Reisebausteine des Festlandes sind so spektakulär, dass das Tauchen diesmal ein klägliches Dasein fristen muss.



Ostafrika ist das Ziel, das Land der Massai, wo historisch gesehen die Wiege des Lebens liegt: Tansania. Um den Kilimandscharo zu bezwingen, mit seinen 5.895 Metern über Meer der höchste Berg Afrikas, danach auf einer Safari durch die weltberühmte Serengeti auf Schnappschuss-Jagd zu gehen und letztendlich auf Sansibar den Urlaub standesgemäss mit einigen Tauchgängen abzuschliessen.

Majestätisch thront der Kilimandscharo nahe der Grenze zu Kenia. Um den höchsten freistehenden Berg der Welt zu erklimmen, sind keinerlei Bergsteigerkenntnisse erforderlich. Eine gute Grundkondition und eine entsprechende Akklimatisation durch langsames Hochgehen in mehreren Etappen sind das A und O einer erfolgreichen Gipfelstürmung.

Um dem Mzungu – Suaheli für "weisser Mann" beziehungsweise wortwörtlich "zielloser Wanderer" – den Aufstieg so leicht wie möglich zu gestalten, kümmern sich Führer, Koch und Träger um die Organisation, das leibliche Wohl und das umfangreiche Trekking-Gepäck.

Nach vier gemütlichen Tagesetappen mit durchschnittlich etwa sechs Stunden Marschzeit durch verschiedene Vegetationszonen und einem enorm kräfteraubenden Schlussaufstieg in Dunkelheit und Kälte ist der höchste Punkt Afrikas erreicht. Der Stolz der erfolgreichen Besteigung und das Panorama im Morgenrot lassen alle Strapazen vergessen. Ein einmaliges Erlebnis! Bei gutem Wetter erreichen über 80% der zahlreichen Berggänger den Gipfel, bei schlechten meteorologischen Bedingungen wie starkem Wind und Schneefall sinkt die Erfolgsquote entsprechend.

Pirschfahrt in der Serengeti


Nach dem Abstieg und einem kurzen Zwischenstopp in Arusha, dem Dreh- und Angelpunkt aller touristischen Aktivitäten im Norden Tansanias, geht es im halboffenen Geländewagen weiter in die Serengeti. Dieser rund 14.000 Quadratkilometer grosse Nationalpark – welcher in etwa einem Drittel der Fläche der Schweiz entspricht – wurde 1959 durch den Film "Serengeti darf nicht sterben" von den deutschen Biologen Michael und Bernhard Grzimek weltbekannt. Der Kinoschlager gewann im folgenden Jahr den Oscar als bester Dokumentarfilm!



Morgens bei Dämmerung beginnt die Pirschfahrt: Das Dach des Jeeps wird hochgeklappt, sodass man bequem im Fahrzeug stehen, beobachten und fotografieren kann. Ein Sonnenaufgang wie aus dem Bilderbuch versüsst uns den Morgen und vertreibt die Müdigkeit. Doch schon bald verliert man das Interesse am feuerroten Sonnenball; man wird hingezogen zu den Stars der Trockensavanne, den zahlreichen Wildtieren. Der frühe Morgen sowie der späte Nachmittag sind ideal für die Beobachtungen. Zu diesen Zeiten sind sowohl tag- als auch nachtaktive Tiere zu sehen. Makroliebhaber werden hier enttäuscht, gross und viel ist hier die Devise. Riesige Büffel- und Gnuherden, kleinere Zebra- und Gazellengruppen und immer wieder Elefanten, Löwen und Giraffen dominieren die unendlichen Weiten der Serengeti.




Highlight der mehrtägigen Zeltsafari ist eine Gruppe von acht knapp einjährigen Löwen, die in Abwesenheit ihrer Mütter direkt neben dem Jeep herumtollen. Weder die Nullzeit noch der Flaschendruck beschränken dieses Erlebnis und so verweilen wir bis zum Einbruch der Dunkelheit und geniessen das Schauspiel. Etwas entfernt entdecken die geübten Augen des Fahrers zwei der Muttertiere im hohen Gras, die sich an eine kleine Herde Gnus pirschen. Die acht hungrigen Mäuler müssen schließlich irgendwie gestopft werden. Im letzten Moment spüren die Gnus die Gefahr und fliehen im Galopp. Ohne Beute kehren die Beiden zu den Junglöwen zurück und werden trotzdem stürmisch begrüsst. Wahrscheinlich wissen die Kleinen, dass die Chancen auf eine erfolgreiche Jagd in der Nacht markant ansteigen und sie später bestimmt zu ihrem wohlverdienten Mahl kommen werden.

Tauchen auf Sansibar


Nach einer holprigen Fahrt zurück nach Arusha geht es mit einem kurzen Inlandflug weiter auf die Gewürzinsel Sansibar, welche knapp 30 Kilometer von der Festlandküste entfernt liegt. Die teilautonome Insel ist vor allem bei Honeymoonern beliebt; schneeweisse Sandstrände und türkisfarbenes Wasser laden zum Baden ein. Obwohl Sansibar selten als Top-Tauchziel gewertet wird, hat es Unterwasser unerwartet viel zu bieten. Vor allem das Naturschutzgebiet um das Mnemba Atoll im Nordosten der Insel braucht den Vergleich mit weit bekannteren Tauchzielen nicht zu scheuen.

Mit dem schnellen Dinghi des East Africa Dive Center geht’s in rund 40 Minuten von Nungwi – einem charmanten ehemaligen Fischerdorf im Norden der Insel mit weissem Sandstrand, Hotels in allen Preisklassen und diversen Tauchbasen – zum Mnemba Atoll. Junge und junggebliebene Taucher und Schnorchler erfreuen sich an der rasanten Fahrt, während der Fraktion der Unterwasser-Fotografen der Angstschweiss auf der Stirn steht: Wird die Kamera die unzähligen Schläge des unruhig auf der nicht ganz spiegelglatten See tanzenden Bootes heil überstehen? Zum Glück passiert nichts, denn Mnemba geizt nicht mit Motiven, die auf dem Kamerachip verewigt werden wollen...

...schon von weitem fallen das türkisfarbene Wasser und die unzähligen lokalen Dhows mit Schnorchlern auf. Auf dem kleinen Atoll erkennt man einige Gebäude des einzigen Luxusressorts in diesem Garten Eden. Leider ist eine Übernachtung in diesem Paradies mit über 1.000 USD pro Person und Nacht nicht gerade ein Schnäppchen. Da hilft es wenig, dass zwei Tauchgänge pro Tag inbegriffen sind.


Top-Tauchplätze


Mnemba Atoll (0-25 m): Dieses unter Naturschutz stehende Atoll bietet mehrere Tauchplätze und ist sowohl für Tauchanfänger als auch für Schnorchler hervorragend geeignet. Meist herrschen gute bis sehr gute Sichtverhältnisse, die Fischvielfalt und Menge ist beeindruckend. Die reelle Chance, Delfine unter Wasser zu sehen, erhöht den Reiz dieses Atolls zusätzlich.

Shane’s Reef (10-20 m): Dieses flache Riff befindet sich direkt vor Nungwi. Für die Anfahrt wird ein motorisiertes lokales Holz-Dhow benutzt. Die leicht abfallende Sandfläche ist durchsetzt von einzelnen Korallenblöcken, welche Hort diverser Fische sind. Der anfängertaugliche Platz ist berühmt für weisse, braune, gelbe und violette Schaukelfische sowie Seepferdchen in ebenso vielen Farbvarianten. Selten und sehr schwer zu finden, dafür umso eindrücklicher, ist der Mauritius Skorpionfisch.

Leven Banks (15-40 m): Nördlich von Sansibar im Blauwasser befindet sich die Leven Sandbank. Das Plateau befindet sich je nach Tide bei 15 bis 18 Meter, danach folgt ein sanft abfallender Sandabhang bis 40 Meter, durchsetzt mit diversen farbenfrohen Hartkorallenblöcken. Bedingt durch die Tiefe und die oftmals mittlere bis starke Strömung ist dieser Tauchplatz nur erfahrenen Tauchern zu empfehlen. Durch die Tiefe des Dachs und dem daraus resultierenden Tauchprofil wird der zweite Tauchgang der Tagestour nicht hier absolviert, sondern an einem küstennahen flacheren Riff wie dem Shane’s Reef.



Kaum verlangsamen wir die Fahrt, tauchen einige einzelne Delfine auf, schwimmen vor und neben dem Boot, zeigen ihre Fluken und vollführen akrobatische Sprünge. Die Erwartung der internationalen Tauchgästeschar steigt dementsprechend nochmals an. Doch der Guide dämpft diese sofort wieder: Delfine mögen wohl das schnelle Boot als "Spielgefährten", jedoch ihr Interesse an Tauchern hält sich normalerweise in Grenzen. Möglicherweise liegt dies am Lärm beim Ausatmen; ein Hinweis darauf ist die Affinität der Delfine zu den ruhigeren schnorchelnden Gästen und Apnoe-Tauchern.



Der erste Tauchgang ist als Drift geplant, die sanfte Strömung führt uns an einer dichten Weich- und Hartkorallen-Landschaft vorbei, immer wieder durchsetzt von Anemonen und ihren symbiotischen Bewohnern, den Clown- oder Anemonenfischen. Gegen Ende des Tauchgangs entdecken wir unter uns eine ausgewachsene grüne Schildkröte, ruhend in knapp 20 Metern Tiefe. Leider erlaubt es unser Tauchprofil nicht mehr, runter zu gehen und so driften wir gemächlich über sie hinweg und tauchen langsam aus.

Nach einer einstündigen Oberflächenpause und immer noch tollen Bedingungen lassen wir uns zum zweiten Mal rückwärts ins 25 Grad warme Wasser fallen. Die Fischvielfalt und schiere Masse steigert sich, vor allem die grossen Schwärme von Gelbstreifen Schnappern sind beeindruckend. Dicht gedrängt und synchron schwimmend bilden sie eine kompakte gelb-silberne Wand. Vor lauter Fisch verschwindet teilweise das Blau des Wassers! Auch die beiden schönsten Vertreter der Drückerfamilie, der Leopard- und der Picasso-Drücker machen ihre Aufwartung. Der einzigartig geformte Nashornfisch, ein Vertreter der Doktorfischfamilie, schwebt immer wieder über unseren Köpfen.



Für die Makroenthusiasten gibt es farbenfrohe Pyjama- und Warzenschnecken sowie Plattwürmer. Die Zeit vergeht viel zu schnell, die 100 bar sind erreicht und wir machen uns auf den Rückweg in knapp 10 Meter Tiefe. Die Farben werden wieder intensiver, über uns schwimmen vereinzelte Schnorchler und auch die Riffbewohner verändern sich; Falterfische und Barsche beherrschen diese Tiefen.


Wissenswertes


Malaria: Geringes Risiko, trotzdem wird die Prophylaxe mit Malarone empfohlen.

Tauchbasen in Nungwi: East Africa Dive Center unter deutsch-südafrikanischer Leitung und Poseidon unter österreichischer Führung (weitere Infos unter Tauchbasen, Tansania). Tauchen in Sansibar ist generell teurer als beispielsweise im Roten Meer. Pro Tauchgang mit Leihausrüstung müssen etwa 50 bis 60 USD kalkuliert werden.

Klima: Da Tansania knapp südlich des Äquators liegt, gibt es keinen signifikanten Wechsel zwischen den Jahreszeiten. Das Klima unterteilt sich lediglich in je zwei Trocken- und Regenzeiten: Von Ende Oktober bis Ende Dezember gibt es eine kurze Regenzeit. Die grosse und bedeutendere Regenzeit erstreckt sich von März bis Mai. Während dieser Zeit kommt es häufig zu starken Niederschlägen, die viele der Naturstrassen schwer oder gar nicht mehr passierbar machen. In dieser Periode sind die meisten Hotels geschlossen und die Tourismusbranche ruht.

Flüge: Condor fliegt von diversen deutschen Städten via Frankfurt nach Sansibar oder zum Flughafen Kilimanjaro. Die Zeitverschiebung beträgt angenehme zwei Stunden, die Flugdauer rund neun Stunden.



Plötzlich, bei einem der regelmässigen kurzen Blicke ins Blau, sehen wir eine Gruppe von neun Grossen Tümmlern! Sie steuern direkt auf uns zu und passieren uns nur wenige Armlängen entfernt. Leider geht alles viel zu schnell, die Kamera ist noch im Makromodus und so wird es nichts mit dem Erinnerungsfoto. Doch auch ohne Foto hat sich dieses Erlebnis im Gedächtnis eingebrannt.
Der Autor

Dominik Vögtli
• Jahrgang 1982, wohnhaft in Zürich, Beruf Wirtschaftsprüfer
• Hauptsächlich Warmwassertaucher mit über 700 Tauchgängen in 30 verschiedenen Ländern
• CMAS***, Trimix100 und Poseidon MK VI CCR Taucher
• Kamera: Olympus E-520 und seit kurzem Panasonic GH3 im Nauticam Gehäuse

Die vereinbarte Maximaltauchzeit von einer Stunde ist bereits um, doch ein gebänderter Schlangenaal, einer giftigen Seeschlange zum Verwechseln ähnlich, posiert auf einer Gehirnkoralle und möchte auch noch abgelichtet werden. Nie hätte ich einen so tollen und abwechslungsreichen Tauchgang erwartet, Sansibar und hauptsächlich das Mnemba Atoll sind ein echter Geheimtipp.

Die Rückfahrt nach Nungwi verläuft problemlos, die Wellen sind kaum noch nennenswert. Eitler Sonnenschein, der kühle Fahrtwind sowie einige fliehende Fliegende Fische erhöhen unseren bereits beträchtlichen Glückshormonspiegel weiter.

Ein lokales "Kilimanjaro"-Dekobier rundet den Tag ab, nur die "Hello, my friend"-Rufe der Strandverkäufer stören die Idylle. Da waren mir die authentischen "Mzungu"-Rufe der Kinder auf dem Festland lieber. Denn recht haben sie, ich bin ein rastloser Wanderer und speziell diese Rundreise hat gezeigt, dass wie so oft der Weg das Ziel ist.


Video zum Thema:



Makroaufnahmen an Shanes Reef vor Nungwi.