Tauchen in Salalah/Oman. Küste an Wüste

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11.05.2014 10:51
Kategorie: Reise

Wenn Taucher nach Oman reisen, steht meistens die Region um Muscat im Vordergrund. Dabei gibt es gut 1000 Kilometer weiter südwestlich noch eine Stadt, die alles hat, was man mit diesem Land verbindet – und vor deren Küste vielleicht noch spannendere Tauchplätze liegen.

Bericht von Linus Geschke

In diesem Teil des Sultanats ist jeder Tauchgang eine Expedition. Das Gebiet ist erst seit kurzem touristisch erschlossen, es gibt nur zwei Tauchbasen (Extra Divers, Salalah und Extra Divers, Mirbat [Stand Mai 2014]) und wenige Gäste. Der große Run auf Oman, er findet weiter nördlich statt, rund um die Hauptstadt Muscat. Aber das war nicht immer so: Einst war Mirbat ein wichtiger Handelshafen; ein Eckpfeiler der Seidenroute für Waren, die auf dem Wasserweg verschickt wurden. Und wo Schiffe fahren, gehen auch Schiffe unter. Die Flotte des Entdeckers Vasco da Gama beispielsweise, die Forscher jetzt unweit der Hallaniyat-Inseln gefunden haben wollen. Dazu all die Namenlosen, deren Schicksal niemand festgehalten hat. Deren Hinterlassenschaften heute dafür sorgen, dass Taucher zu Entdeckern werden.

Schon der erste Blick unter die Wasseroberfläche macht süchtig. Süchtig nach diesen fetten Fischen, die aussehen, als habe sie jemand gemästet. Kofferfische, Schnapper, Füsiliere, alles in Massen und im XXL-Format. Dazwischen träge schwimmende Barrakudas und Zackenbarsche, denen der ständig gedeckte Tisch nur wenig Anstrengung abverlangt. Sie alle haben sich um ein Wrack versammelt, das den Namen des Hotels trägt, vor dessen Sandstrand es liegt: dem Marriot-Wrack.

Wie es wirklich heißt? Keiner weiß es. Wie lange es hier schon liegt? Auch darüber gibt es nur Vermutungen. Siebzig Jahre, sagen die einen. Hundertzwanzig, meinen die anderen. Unter Wasser wirkt es jetzt zumindest wie ein Magnet auf alles, was in der Nähe herumschwimmt – es gleicht dem Tauchen in einer Fischsuppe, die so gut gefüllt ist, dass man die Schuppenträger am liebsten mit den Händen zur Seite schieben möchte, um einen ungestörten Blick auf die Schiffsruine erhaschen zu können. Dabei liegt das Marriot-Wrack, wie die meisten Spots in der Umgebung, in einer flachen Region: Es sind Tauchplätze, an denen man alle Zeit der Welt hat, um sie genauestens erkunden zu können.



Den "wahren" Oman erleben - in Mirbat. Basisteam und Basis der Extra Divers (Bilder Mitte und Rechts)


Die Tauchbasis der Extra-Divers will auf den ersten Blick gar nicht hierhin passen. Zu groß ist sie, zu aufgeräumt, zu gut ausgestattet, um einem Gebiet zu entsprechen, dass wie geschaffen für Entdecker scheint. Überlaufen ist es hier nur selten, die persönliche Atmosphäre steht im Vordergrund, und die Riffe der Region vermitteln immer noch den Eindruck, man sei der erste Mensch, den es hier unter Wasser zieht. Wobei schon die Bootsausfahrten zu den Highlights eines Tauchurlaubes zählen: Mit selten gesehener Regelmäßigkeit ziehen große Gruppen Delfine, die aus mehreren hundert Tieren bestehen, an der Küste entlang. Oftmals sind es Spinner-Delfine; tollkühne Springer, die in der Luft akrobatische Pirouetten drehen, bevor sie dann wieder eintauchen. Und mit ganz viel Glück kann man auch Pottwale beobachten, die in riesigen Verbänden auf Tuchfühlung mit dem in diesem Moment winzig wirkenden Tauchboot gehen, ihren Blas ausstoßen und stellenweise Sprünge vollführen, die man eher einem Buckelwal zutrauen würde (siehe auch: Mirbat Whales).

Beim Chinesen


Das Chinese-Wrack. Seinen richtigen Namen und die Hintergründe des Untergangs kennt auch hier niemand – und sie interessieren auch keinen. Denn an dieser Schiffsruine ist nicht das Wrack selbst, sondern die Umgebung die Hauptattraktion. Zum Beispiel die seltene Kombination aus mannshohen Kelpwäldern, die es gerne kühl haben, und imposanten Hartkorallen, die wärmere Gewässer bevorzugen. Zwischen beiden steht der Fisch so dicht, dass man ihn fast mit den Händen wegschieben muss, um weiter zu kommen.

Langsam durchstreifen die Augen das Grün, entdecken auf dem felsigen Untergrund Gitarrenrochen und Muränen, die aus jedem zweiten Loch herausschauen. Majestätische Adlerrochen ziehen mit gleichmäßigem Flügelschlag durch das Freiwasser, würden sie nicht so dicht herankommen, könnte man sie nur als dunkle Konturen wahrnehmen. Denn wie so oft in Oman ist die Sichtweite am Chinese Wrack nicht berauschend – eine Folge des hohen Planktongehalts im Wasser, der die Grundlage für das immense Fischaufkommen ist. Sie ist auch einer der Gründe dafür, dass Oman von vielen Tauchern immer noch als "kritisches Ziel" gesehen wird; insbesondere von Fotografen. Andererseits: Wenn man auf zehn Metern doppelt so viel Fisch sieht wie woanders auf 40, reduziert sich die mittelprächtige Sichtweite wieder auf etwas, womit man sehr gut leben kann.

Nicht weit vom Chinese-Wrack entfernt stößt ein Buddyteam in zwölf Metern Tiefe auf einen vereinsamten Anker. Aufrecht erhebt er sich vom Meeresboden, zweieinhalb Meter ist er groß und vollständig mit gelb-grünen Hartkorallen bewachsen. Die Ankerkette verschwindet im Nirgendwo, von dem dazugehörigen Wrack ist nichts zu sehen. Vielleicht ist es ja bereits in größere Tiefen abgerutscht. Oder das Schiff hat den Anker nur nicht mehr losbekommen und musste ihn dort zurückgelassen. Vielleicht ist es aber auch ganz in der Nähe untergegangen und wartet auf seine Entdeckung: Vorsichtshalber setzt Basenleiterin Corinna eine Boje, damit sie später wiederkommen und danach suchen kann – ein weiteres ungeklärtes Rätsel vor der an Rätseln so reichen Küste.



Dass der Ansturm auf Salalah und Mirbat deutlich geringer ausfällt als der auf Muscat, liegt sicherlich auch an den Flügen. Während die Hauptstadt des Sultanats von Deutschland aus per Direktflug erreichbar ist, bedarf es hier eines Umsteigens – wahrscheinlich schreckt dies viele Besucher ab, obwohl die Flugpreise kaum höher liegen. Dabei wissen sie nicht, was ihnen entgeht: Wadis und Schluchten mit freilaufenden Kamelen, Antilopen und Wölfen. Strandabschnitte mit Dünen, die so schneeweiß sind, dass sie in den Augen blenden. Ein Hotel mit fantastischen Zimmern und gutem Essen, dessen Preisniveau für dieses Land als klassisches Schnäppchen gelten kann. Und eine Küste, an der man bei jedem Tauchgang Entdeckungen macht; die ebenso fischreich wie geheimnisvoll ist.

Der Südwesten Omans: Einer der spannendsten Flecken überhaupt in einem an Spannung nicht armen Land, welches – glaubt man manchen Touristikexperten – den ganz großen Boom noch vor sich hat.



Video zum Thema:

 


Unterwasservideo von einem Tauchgang im Marriot Wrack mit gigantischen Fischschwärmen. Weitere Videos der Region in unserer Videothek: Salalah/Mirbat.