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Black Sea - Notaufstieg aus über 350 Metern - realistisch?

Hallo

Im Film Black Sea (2014) geht am Schluss ein russisches U-Boot auf Grund. Die Tiefenanzeige zeigt über 350 "Einheiten" Tiefe an. Das russische U-Boot ist zwar ein älteres aber ich nehme schwer an, dass hier die SI-Einheit Meter gemeint ist. Dann geht das U-Boot kaputt und zwei Besatzungsmitglieder können sich retten. Sie ziehen einen Rettungsanzug an, werden vom letzten noch lebenden Passagier per Torpedoloch ins Wasser spediert und können sich retten bis zur Oberfläche.

Ist das realistisch? Ein Notaufstieg in Rettungsanzug von über 350 Metern Tiefe?

Grüsse
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nandersenIANTD CCR
05.07.2015 18:02
Ich sag mal ohne Tariermittel und ggf. mit einem SCR-`Tauchretter` duerften die Russen als Kuechenschwamm oben angekommen sein...

05.07.2015 18:37
Ich hab mal irgendwo gelesen, dass die, weil die ja keine Stickstoffsättigung haben, teils 100 Meter pro Minute Aufstiegsgeschwindigkeit haben?

Vor dem Notaufstieg hat er den einen Laien auch unterrichtet, er solle immer brav ausatmen, sonst platz er.

Weiss denn niemand was dazu ob das möglich ist?
Steffen25Adv.TX
05.07.2015 21:04
Heute eher so (HABETaS®), aber ja `free accent` aus 300m ist eine Standardprozedur. Soweit mir bekannt, üben das aber nur die Norweger gelegentlich. Im Boot hast du den gleichen Umgebungsdruck wie oben und die Stickstoffaufnahme betrifft auch nur die schnellen Kompartimente. 100m/min ist realistisch. Nach 4 Minuten ist alles vorbei ...
06.07.2015 00:01
Ich habe mal mit Visual Dekmopression (ZLH) simuliert: Allerdings geht das Programm nur bis 200m: 1 Minute Druckaufbau in der Torpedoschleuse und 2 Minuten Aufstieg: Da bekommt man schon 4 Minuten Dekoverzug in den schnelleren Geweben. Also große Gefahr für die neuronalen Gewebe. Auf jeden Fall vermute ich extreme Barotraumen in Ohr- und Kopfhöhlen. Lungenriss vielleicht vermeidbar - aber bei den Schmerzen? Eine Chance hat man wohl.
Längere Sättigungszeiten verlängern die Dekoschuld nur noch mehr.
Aber alles nur Theorie. Das Militär weiß sicher mehr, wird aber wohl nicht antworten...
ramklovApnoeTL, TL**
07.07.2015 13:56
Herbert Nietsch hat einen Apnoetauchgang mit einem Schlitten auf fast 250 m Tiefe unternommen und ist aus der Tiefe bis in eine Tiefe von 15m nach oben geschossen. Ergebnis: "ähnlich" eines multiplen Schlaganfalls Hier ein Interview mit ihm: http://derstandard.at/1362107371800/Apnoe-Taucher-Herbert-Nitsch-im-Interview Und das, obwohl die Stickstoffsättigung, die zu den Problemen geführt hat, nur aus einem einzigen Atemzug an der Oberlfäche kommen konnte.

Was heißt das für den U-Boot Retter: Einfach unter Apnoe ausatmen und hochploppen aus 300m ist meiner Meinung nach nicht empfehlenswert (wenn man 1 min Druckaufbau in der Torpedoschleuse schon überlebt). Ein Tauchgerät, mit dem man ein paar Minuten Deko absitzen kann und die Aufstiegsgeschwindigkeit wenigstens auf den letzten 100m verringert, sollte es schon sein.

Barotraumen in Ohr- und Kopfhölen und Lungenriss dürften sich vermeiden lassen.

gruß ramklov
07.07.2015 20:14
Allso was die normale U-Boot Ausrüstung angeht sind 350m nicht drin.
Im Wk2 waren die Besatzungen auf 15 m Wassertiefe für Notausstieg ausgebildet die Tauchretter waren aber bis 40 m einsetzbar. In einzel Fällen auch bis 50m nach durchgeführt.
Die heutige Ausrüstung ist für 90m ausgelegt soll aber im Notfall bis 150 m nutzbar sein. Ausgebildet wird in der RN bis 40 m.

Da es sich im Film aber um ein Russisches U-Boot geht, ist zu sagen das die Rote Russe, wie der Anzug oft genannt wird, eigentlich nur bis 100 m zugelassen ist.
ABER und jetzt kommt es russische Alfa, Oscar und Yankee Boote haben Rettungkapseln die wohl bis 400 m ausgelegt sind.
Nur soweit bekannt noch nie eingesetzt wurden.
ramklovApnoeTL, TL**
07.07.2015 20:26
@ Burns,

kannst Du uns noch etwas über die Art der "Tauchretter" sagen. Aus 15m schaffen die Meisten das ja noch mit Apnoe durch irgendeine Schleuse und Luke (Torpedorohr)

Bei 90 oder 100m dürfte doch ein vollständiges Tauchgerät notwendig sein.

Ist die Rettungskapsel für 400m eine Art Mini U-Boot?

gruß ramklov
07.07.2015 22:01
Die heutigen Tauchretter sind Anzüge die mit einer CO2 Kapsel den Nnötigen Auftrieb erzeugen.
Desweiten ist der Anzug wie ein Trokenanzug mit Vollgesichtsmaske oder Haube. Die Luftversorgung wird über eine kleine Pressluftflasche sichergestellt und je nach Ausführung ist das ganze als offenes oder geschlossenes System gebaut.
Die Tauchretter der Kriegsmarine waren die Vorgänger der heutigen Kreislaufgeräte von Dräger.
Naja Dräger hat die schliesslich auch für die KM entwickelt.

Zu dem Rettungkapseln ist zu sagen das es Taucherglocken sein sollen die ein postiven Auftrieb haben und ungelenkt sind. Wie gesagt die Dinger sind wohl noch nie im Einsatz gewesen. Obwohl selbst die Kursk zwei Stück hatte.
gebaPadi OWSI
08.07.2015 21:33
Aussichtslos.Aus nachvollziehbarn Gründen werden bei der Marine auch die 30 Meter Ausstiege aus dem U-Boot nicht mehr geübt.(U.a. die 90 % geplatzten Trommelfelle).Ein Ausstieg schon aus 50 Metern,von Normaldruck eines U-bootes ist lebensgefährlich.
09.07.2015 09:37
Scheint nicht ganz aussichtslos zu sein, wenn man sich das hier: https://www.thyssenkrupp-marinesystems.com/de/rettungssystem-habetas(R).html
mal anschaut.
ramklovApnoeTL, TL**
09.07.2015 10:34
@ Burns,
danke für die interessanten Erläuterungen. Das Teil im Link von NilsNase scheint ja so eine Taucherglocke darzustellen. Nur so zur Übung wird wohl keiner mit so einer ungelenkten Glocke aus 300m hochploppen wollen. Aber man wird es wohl überleben.

@ geba,
hast Du irgendwelche Quellen zu den 90% der geplatzten Trommelfelle bei 30m Ausstiegen. Das würde ich mir und vielen meiner Tauchschüler aber locker mit Apnoe zutrauen - zu 99% ohne geplatzte Trommelfelle. Bei 50m kommt bei hohen Aufstiegsgeschwindigkeiten die DCS-Gefahr ins Spiel.

gruß ramklov
10.07.2015 18:20
Es war ein U-Boot der Foxtrot-Klasse laut Wikipedia. Da der Film aber wohl in der Gegenwart spielt (meine Interpretation), könnten theoretisch auch moderne Rettungsanzüge da gewesen sein. Andererseits waren die im Film ziemlich knapp bei Kasse, es war ein "Billigangebot". Deshalb natürlich nicht unbedingt nachvollziehbar, dass der Verkäufer da top-moderne Rettungsanzüge mit auf das U-Boot gibt.
11.07.2015 22:09
So hab mich mal Schlau gemacht. Foxtrot Boote haben keine Rettungsvorrichtungen für die Besatzung. Was auch verständlich ist für ein Boomer-Hunter mit Dieselantrieb.
Aber die Besatzungen waren mit frühen Rettungsanzügen ausgerüstet. Ein Austieg allso nur über Torpedorohr oder b ei gefluteten Boot möglich.
ag2908PADI Staff Instr.
12.07.2015 11:11
" Andererseits waren die im Film ziemlich knapp bei Kasse, es war ein "Billigangebot". "

Ich bin ja schon froh wenn mal ein Tauchfilm kommt bei dem nicht mit Sauerstoffflaschen sondern mit Pressluftflaschen getaucht wird
15.07.2015 21:02
Mir ist gerade mal noch ne Frage zu dem Thema eingefallen.
Deko Lungriss und Co mal bei seite gelegt. Die gehen doch in 350m so oder so drauf. Der ppO2 ist da unten doch viel zu hoch, oder seh ich da was falsch?
15.07.2015 23:12
Bei der O2-Toxizität spielt auch die Einwirkzeit eine wichtige Rolle. Ein wenig Zeit hat man da vielleicht (wenn auch die CNS auf 300m nach einer Minute mehrere 100% beträgt - so weit geht meine CNS-Tabelle nicht).
ramklovApnoeTL, TL**
16.07.2015 11:01
@ Burns,

100m Tauchgänge mit Luft haben angeblich schon mehrere überlebt.

In 300m sollte man vielleicht etwas anderes atmen als Luft, etwas mit weniger O2, auch wenn die Einwirkzeit eine Rolle spielt. Im "Ehm" http://www.vdst-shop.de/Buecher/Tauchausbildung/Der-neue-Ehm-Tauchen-noch-sicherer-11-Auflage.html findet sich ein Kapitel mit Atemgasen für Tieftauchgänge von mehreren 100m. Sogar mit H2 (Hydrox) wurde schon experimentiert.

gruß ramklov
16.07.2015 15:25
100m da wäre der ppO2 bei 2,31bar. Das ist ungefähr die ppO2 Grenze für´s Militär.
Die Engländer haben Test bis 4bar ppO2 gemacht. Wo bei es wohl ab 3,5bar fast immer tötlich ausging.

In 350m würden wir vom 7,56bar reden. Wer dem ppO2 Druck ausgesetzt wird müsste eigentlich sofort krampfen. Oder hab ich mich verrechnet?
ramklovApnoeTL, TL**
17.07.2015 10:14
@ Burns,

Du rechnest richtig.

In dem von NilsNase am 09.07.2015 - 09:37 verlinkten Rettungssystem HABETaS hat die Person einen eigenen Atemgasvorrat und eine Vollgesichtsmaske. Es ist also möglich, die Person mit einem gut atembaren Gemisch zu versorgen.

Zudem müssen bei einem Sauerstoffkrampf noch ein paar Faktoren dazukommen, bis es tödlich endet. Wenn man über eine zuverlässig sitzende Vollgesichtsmaske oder über einen kompletten Anzug mit Atemgas versorgt wird, kann man einen Krampf vermutlich überleben, wie in einer Druckkammer auch.

gruß ramklov
17.07.2015 12:32
Dann würde der Krampf sogar dafür sorgen, dass das Opfer nicht in Panik die Luft anhält...
grogCMAS**
22.07.2015 00:21
Ich habe den Film auch gesehen und hatte verstanden, das es um ca. 90m Tiefe ging. Was aber auch nur daran gelegen haben mag, dass die Zahl auf der Anzeige von den amerikanischen Produzenten als 350 "Fuss" interpretiert wurde, was dann bei Deutscher Synchronisation wieder zu 90m geworden sein könnte.

Jedenfalls sagt der Darsteller in einem frühen Teil des Films, das Wrack bei 90m geortet zu haben.
03.08.2015 19:30
@ ramklov

das Problem, das zu den Trommelfell-Rissen führt, dürfte nicht der Aufstieg, sondern der schnelle Druckanstieg im Torpedo-Rohr sein.

In einer Druckkammer brauchen sie diverse Minuten, um auf "18 Meter" zu gehen.
Wenn Du (mit Gerät) einen Abstieg auf 30 Meter machst, dauert der für gewöhnlich mehr als 1 Minute und Du bist topfit. Kein Schnupfen o.ä.

Und wenn dann der simulierte Abstieg auf 350 Meter in einer Minute erfolgen soll, wird`s sehr eng für die Trommelfelle. Egal, ob nachher Aufstiegs-Geschwindigkeiten voin 100 m/min erreicht werden.

Gut Luft

FANATIC DIVER
05.08.2015 11:17
Moin, Grog dürfte Recht haben: Die Einheiten sind ft, das Boot liegt also auf knapp 100m. Die sind auch mit Luft noch machbar (und oft genug gemacht worden). Ich habe im Moment weder Dekorechner noch Tabelle hier, aber mal überschlagen: 1 min "Abtauchzeit" (=Druckausgleich von 1 bar auf 11 bar), dann mit 24 m/min hoch macht 3 min in der kritischen Zone unterhalb 25m: Kann das mal jemand durch den V-planner jagen?

Grob abgeschätzt: ZHL-L16 gibt für das Kompartiment 1 (Blut, ZNS und Rückenmark) 4 min HWZ an, langsamere Gewebe wird man also kaum betrachten müssen. Bei a/b 1.25/0.5 dürft die Überspannung an der Oberfläche (wirklich!)übern Daumen etwa Faktor 4 haben- das ist nicht schön, aber auch nicht unbedingt tödlich, zumal ja aus den langsamen Geweben kaum etwas nachkommen dürfte.
Alle anderen Sachen (Druckausgleichsprobleme etc.) mal aussen vor, aber Trommelfellrisse und auch leichtes DCS sind heilbar, ersticken/ ersaufen im U-Boot nicht...

Hartmut
09.07.2023 23:17Geändert von uwr92,
09.07.2023 23:18
Hab den Film heute auch noch mal geschaut. Leider ist durchaus von Sauerstoff die Rede, weiss nicht wies im Originalton wäre. Aber als Sie in 90 Meter tiefe das Boot mit Taucheranzügen zu Dritt verlassen um die Antriebswelle und schlussendlich das Gold aus dem Deutschen Typ VII C zu holen heisst es "Der Sauerstoff reicht für einen Tauchgang".

Zum Ende hin heisst es "maximale Tauchtiefe" als der Tiefenmesser wegen des Drucks berstet und Wasser eindringt. Da zeigt er 350 an.
Müssen schon Meter sein obwohl Wikipedia das Russische "Projket 641" alias Foxtrot - Klasse mit maximaler Tauchtiefe von 280m ausweist.
Also wäre es bei 350m entweder bereits zerstört worden oder aber die ~ 70m tiefer hätte das Boot ausgehalten... Ist halt Film.
So oder so ist der Aufstieg mit den Rettungsanzügen aus dieser Tiefer eher unrealistisch.
Der Anzug sah in Etwa so aus wie der hier der Navy
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Hooded_Immersion_Suit_RNSM.jpg
Dominik_Emind is like parachute
09.07.2023 23:43
Naja war ja oben schon verlinkt, Equipment gibt es und auch so grobe Ideen wie machen, wenn man in solchen Tiefen raus müsste und es um Leben oder Tod geht. Nichts was man unter Realbedingungen und aus solchen Tiefen üben wird, dafür sind die "üblichen" Verletzungen sicherlich zu schwer, und auch die Rate an Katastrophen sicherlich viel zu groß. Aber einige interessante Aspekte in der Deko-Theorie kommen aus solchen Szenarien, eben weil es Interesse daran gibt...
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