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uboettgerVielseitigkeitsabzeichen Seehund Trixi

Privathaftplicht - privat oder gewerblich?

Viele Taucher gehen ihrem Hobby nicht nur für sich allein respektive mit Tauchpartner(in) nach, sondern helfen in einem Verein, einer Tauchbasis, kriegen vielleicht auch ab und an etwas Geld, Aufwandsentschädigungen, Fahrtkosten usw. dafür. Was passiert nun, wenn einem Dritten bei der Ausübung solcher Aktivitäten ein Schaden entsteht, und die eigene Privathaftpflichtversicherung zahlen soll? Was ist noch privat, was ist schon gewerblich?

BGH, 4. Zivilsenat, Urteil vom 10.03.2004 - IV ZR 169/03:

Der Kläger begehrt wegen eines Tauchunfalls von der Beklagten Deckungsschutz aus einer Privathaftpflichtversicherung. Dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag liegen "Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB)" der Beklagten sowie deren "Risikobeschreibungen, Erläuterungen und Besondere Bedingungen zum Versicherungsschein/Nachtrag" (BBR) zugrunde. Unter Nr. 1.1 der BBR ist bestimmt:

"Versichert ist im Rahmen der AHB -

die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers als

Privatperson

aus den Gefahren des täglichen Lebens - mit Ausnahme der Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes, Amtes (auch Ehrenamtes), einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art oder einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung -..."

Der Kläger war bis 1997 als Krankenpfleger tätig. Ab Oktober 1998 arbeitete er als Praxishilfe in der Krankengymnastikpraxis seiner Lebensgefährtin: seit 2001 ist er wieder in einem Krankenhaus beschäftigt.

Er betrieb eine besondere Form des Tauchsports, nämlich das Apnoe-Tieftauchen (Freitauchen ohne Sauerstoffgerät). Bei den Tauchgängen läßt sich der Taucher von einem an einem sogenannten Grundseil geführten, bleibeschwerten Schlitten in die Tiefe ziehen.

Am 14. August 1999 wollte der Kläger im Bodensee einen Tiefenweltrekord über 90 m aufstellen. Als einer von mehreren Sicherungstauchern nahm auch der spätere Geschädigte an diesem Tauchgang teil. Zusammen mit einem Schiedsrichter des internationalen Tauchsportverbandes sollte er den Kläger an der Rekordmarke in 90 m Wassertiefe erwarten. Als sich der Tauchgang, der einem genauen Zeitplan unterlag, infolge technischer Probleme verzögerte, begann der Geschädigte in der irrigen Annahme, der Versuch sei abgebrochen, mit dem langsamen Aufstieg. Entgegen den Durchführungsbestimmungen bewegte er sich dabei nahe dem Grundseil. Währenddessen ließ sich der Kläger am Schlitten nach unten ziehen. In 28 m Tiefe kam es zur Kollision, wobei der Geschädigte am Kopf getroffen wurde und danach benommen und desorientiert war. Der Kläger zog ihn deshalb in Richtung Wasseroberfläche, bis der Verletzte durch den eigenen Auftrieb nach oben getragen wurde. Durch den zu schnellen Aufstieg erlitt der Geschädigte einen Dekompressionsschaden, der zu schweren Nervenschäden im Rückgrat und an den Gliedmaßen und in der Folge zur Berufsunfähigkeit führte. Der Unfallversicherer des Geschädigten hat gegenüber dem Kläger Regreßansprüche von mehr als 2,6 Millionen € angemeldet.

Der Kläger hält die Beklagte in Höhe der vertraglichen Deckungssumme von 2 Millionen DM für eintrittspflichtig. Die Beklagte hat eine Leistungspflicht abgelehnt, weil der Kläger gewerbsmäßig, damit beruflich und deshalb nicht privat im Sinne der Versicherungsbedingungen gehandelt habe. Außerdem liege eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung vor, für die nach den BBR kein Versicherungsschutz bestehe.

Während das Landgericht die Klage abgewiesen hat, hat das Berufungsgericht ihr in vollem Umfang stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

...

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei der beruflichen Tätigkeit im Sinne von Nr. 1.1 der BBR handele es sich um einen Ausnahmetatbestand vom zugesagten Versicherungsschutz. Berufe sich der Versicherer darauf, müsse er beweisen, daß der Versicherungsnehmer einen Schaden in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit verursacht habe. Die Beklagte habe diesen Beweis nicht erbracht.

Es sei bereits zweifelhaft, ob das Apnoetauchen auf Dauer ausgeübt werden könne, wie das für einen Beruf kennzeichnend sei. Es unterliege keiner geregelten Zeitplanung. Daß der Kläger mit dem Tauchen Einnahmen erzielt habe, zwinge ebensowenig zur Annahme eines Berufs wie deren steuerliche Deklaration als Einnahmen aus Gewerbebetrieb. Die erzielten Gewinne seien so gering gewesen, daß der Kläger seinen Lebensunterhalt aus ihnen mit Sicherheit nicht habe bestreiten können. Unter Aufgabe seiner früheren Rechtsauffassung habe das Finanzamt dem Kläger inzwischen bescheinigt, daß die durch das Apnoetauchen erzielten Einnahmen weder gewerblich noch sonst Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes seien. Anderes ergebe sich weder aus der Korrespondenz der Parteien noch daraus, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers im Ermittlungsverfahren den Tauchsport als berufliche Existenz des Klägers bezeichnet und der Kläger selbst an anderer Stelle von einer Zerstörung seiner Karriere gesprochen habe.

Die Beklagte könne den Deckungsschutz auch nicht deshalb verweigern, weil der Schaden bei einer ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen eingetreten sei. Denn dieser Haftungsausschluß greife nach Sinn und Zweck von Haftpflichtversicherungsbedingungen nur dort ein, wo eine Gefahr für Dritte drohe. Das sei für das Apnoetauchen im Regelfall zu verneinen. Der streitgegenständliche Vorfall habe sich ereignet, weil der Geschädigte regelwidrig in der Nähe des Grundseiles aufgestiegen sei.

...

Zu Recht hat das Berufungsgericht auch das Vorliegen einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung im Sinne der Nr. 1.1 der BBR verneint.

a) Wie bereits aus dem Wortlaut der Klausel folgt, müssen beide Merkmale zugleich vorliegen, die Beschäftigung muß also ungewöhnlich und zugleich gefährlich im Sinne der BBR sein. Das ist nach gefestigter Rechtsprechung nicht bereits dann der Fall, wenn die schadenstiftende Handlung selbst ungewöhnlich und gefährlich ist. Sie muß vielmehr im Rahmen einer allgemeinen Betätigung erfolgen, die ihrerseits ungewöhnlich und gefährlich ist und deshalb in erhöhtem Maße die Gefahr der Vornahme schadenstiftender Handlungen in sich birgt (BGH, Urteil vom 26. März 1956 – II ZR 209/54 – VersR 1956, 283 unter 4: BGHZ 79, 145, 156: Senatsurteil vom 17. Januar 1996 aaO).

Gefährlich im Sinne der Klausel ist - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar - eine Beschäftigung aber nur dann, wenn aus ihr eine Risikoerhöhung für einen in der Haftpflichtversicherung allein relevanten Fremdschaden resultiert (OLG Hamm r+s 1996, 96). Ob der handelnde Versicherungsnehmer durch die Beschäftigung sein Eigentum und/oder seine Gesundheit gefährdet, ist deshalb unerheblich. Seine Beschäftigung muß vielmehr die erhöhte Gefahr der Schädigung fremder Rechtsgüter und der daraus resultierenden gesetzlichen Haftpflicht in sich bergen.

b) Dies zugrundegelegt hat das Berufungsgericht das Eingreifen des Ausschlußtatbestandes zutreffend verneint. Zwar mögen beim Apnoetauchen in große Tiefen aufgrund der Druckverhältnisse, der schlechten Sicht und der dadurch im Unglücksfall erschwerten Hilfeleistung besonders hohe Risiken bestehen. Eine Beweisaufnahme darüber war aber entgegen der Rüge der Revision nicht geboten. Denn diese Risiken trafen zunächst vorwiegend den Kläger selbst. Demgegenüber hat die Beklagte nicht ausreichend dargelegt, daß mit dem Tauchversuch des Klägers auch eine erhöhte Gefährdung Dritter einherging, für die der Kläger aus Rechtsgründen einzustehen gehabt hätte. Allein mit dem Hinweis auf den konkreten Geschehensablauf, für den ein regelwidriges Verhalten des Geschädigten eine maßgebliche Ursache gesetzt hat, kann dieser Nachweis nicht erbracht werden. Die Beklagte hätte vielmehr dartun müssen, ob und inwieweit bei solchen Tauchgängen üblicherweise besondere Gefahren für Dritte bestehen, die eine Haftung des Klägers auslösen könnten. Eine solche Verantwortlichkeit des Klägers ist nicht aufgezeigt. Insbesondere hat die Beklagte auch nichts dafür vorgebracht, daß er etwa als Veranstalter des Weltrekordversuchs anzusehen wäre und ihn deshalb aus dem Gesichtspunkt eines Organisationsverschuldens besondere Schutzpflichten gegenüber allen Teilnehmern getroffen hätten.


Fazit: Beweislast der angeblichen Gewerblichkeit liegt bei der Versicherung, die sich auf den Ausschluss beruft. Gleiches gilt für eine besonders hohe Gefährlichkeit. Insofern scheint eine gelegentliche Tätigkeit im oben beschriebenen Rahmen keine nachteiligen Auswirkungen auf den Schutz der eigenen Privathaftpflichtversicherung zu haben.
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31.07.2015 23:01
Klingt nach einem grauenvollen Fall, aber die Gerichtsentscheidung kann man ja nur als positiv verstehen.
31.07.2015 23:54
Ehrenamtliche Vereinsausbilder (zumindest in einem e.V.) sind wimre neben einer ggf. bestehenden Privathaftpflichtversicherung auch über die Berufsgenossenschaft versichert.
uboettgerVielseitigkeitsabzeichen Seehund Trixi
01.08.2015 09:18
@kwolf1406: Meinst Du die Haftpflichtversicherung bei Schäden, die man Dritten gegenüber verursacht hat - diese dann im Sportversicherungsvertrag des Anbieters G. als TL-Assistenten - oder die Unfallversicherung über die VBG für Schäden, die man als Ausbilder selbst erleidet? Dann gibt es noch eine pauschale Tauchkursversicherung für den Verein selbst.

Ich habe jedenfalls über solche (schwerwiegenden) Folgen für den Satz gegenüber einem Instant Buddy "Ach komm mal mit, ich zeig` Dir noch ein bißchen was" noch nicht nachgedacht.
ag2908PADI Staff Instr.
01.08.2015 10:43
" "Ach komm mal mit, ich zeig` Dir noch ein bißchen was" noch nicht nachgedacht."

Das passiert leider viel zu häufig

Ich rate jedem Tauchschüler der zu mir kommt ganz klar bevor die Ausbildung beginnt zu einer Tauchversicherung
Man sollte die Leute vorher ganz klar darauf hinweisen dass niemand ohne Tauchversicherung einen Kurs beginnen sollte und muss über die Risiken aufklären.
Wer ohne Tauchversicherung ins Wasser geht kann ganz schnell vor einem riesigen Schuldenberg stehen
Ich bekam auch hier in Dahab schon einige Male mit dass Taucher sich nach einem TU und der folgenden Behandlung in der Druckkammer wunderten dass sich die Rechnung sehr oft im 5 stelligen Bereich summiert.
Es ist ganz klar auch in der Verantwortung der TL extrem deutlich darauf hinzuweisen wie gross das Risiko und wie billig die Versicherung ist. Die Prospekte von Aqua med liegen ja schliesslich dazu in jeder guten Tauchbasis aus.
Ich persönlich gehe mit meinen Tauchschülern dann in der Regel noch zu unserem Tauchdoc hier in Dahab und zeige die Druckkammer.
Die bringt dann die Realität näher ohne unnötig Angst zu machen.
Wer dann wirklich immer noch so dumm ist und ohne Tauchversicherung ins Wasser geht ist wohl selbst schuld

Grüsse aus Dahab
01.08.2015 12:27
uboettger,
die meisten - oder sogar alle - Bundesländer und/oder Städte versichern ehrenamtlich Tätige nach dem Subsidiaritätsprinzip, d.h. soweit andere Versicherungen nicht greifen, z.B. http://www.karlsruhe.de/b4/buergerengagement/aktivbuero/info/versicherung.de

Du hast hier Haftpflichtversicherung thematisiert. Haftpflicht heißt ja, versichert werden Schäden, die ich anderen zufüge. Eine Kaskoversicherung (die meine eigenen Schäden abdeckt) in diesem Rahmen ist mir unbekannt und bliebe der Eigenleistung vorbehalten. Da gibt es ja auch die Kranken- und ggf. Unfallversicherung - das Thema des älteren Threads.

ag2908
"Ach komm mal mit, ich zeig` Dir noch ein bißchen was"
--> das ist ein Fall für die Privathaftpflicht, die jeder selbst abschließen sollte, bzw. in den guten Tauchversicherungen enthalten ist. Mache ich das im Rahmen einer Vereinsveranstaltung - und dazu muss ich kein Trainer/Ausbilder sein, sondern nur vom Verein beauftragt, z.B. begleitende Eltern - greift auch wieder die Berufsgenossenschft s.o.

01.08.2015 17:27
Eigentlich kann man das doch so verstehen:

Tritt ein Schadensfall ein (bei Ehrenämtlern, TLs, oder ganz normalen Taucher), dann muss die Versicherung nachweisen, das das `gewerblich` war.

und dazu reicht eben nicht `der hat möglicherweise Einnahmen gehabt` (was in anderen Fällen oft reichen würde).

Also kann jeder immer darauf zählen, das entweder die private Haftpficht zahlt, oder Gewerblichkeit nachgewiesen wird, was die Versicherungspficht einem gewerblichen Betreiber aufzwingen würde.

Für den Ehrenämtler zum Beispiel nur gut.
Er kann sich erstmal (fast) voll darauf verlassen, das er bei allem abgesichert ist, wo nicht andere Versicherungen automatisch greifen würden, die dann auch meist verpfichtend vorhanden sind (Event-Haftpflicht, Betreiber-Haftpflicht, Berufsgenossenschaften, etc...).

Also ein seltenes gutes Urteil für den Tauchsport
ag2908PADI Staff Instr.
05.08.2015 10:23
"Ach komm mal mit, ich zeig` Dir noch ein bißchen was"

Hierbei sollte man den Tauchschüler ganz klar darüber aufklären dass es auch zu einer DCS oder anderen Unfällen kommen kann obwohl der TL alles richtig gemacht hat und seine TL Haftpflicht dann auch nicht für die Kosten einspringen muss.
Viele Tauchschüler gehen davon aus dass der TL versichert ist und seine Versicherung bei einem TU beim Kurs in jeden Fall zahlt
05.08.2015 23:35
ag, wer mit mir taucht, kennt die Risiken des Tauchsports, auch der Schüler. Mit letzterem zauche ich nur im Rahmen der Vereinsveranstaltung. Da sind wir dann alle richtig versichert. Trifft das nicht für alle Schüler, egal welcher Verbände, zumindest für die Ausbildung, zu?
ag2908PADI Staff Instr.
06.08.2015 09:13
"Trifft das nicht für alle Schüler, egal welcher Verbände, zumindest für die Ausbildung, zu? "

Ja, deshalb sollte man auch immer wieder darüber aufklären
Die Wirklichkeit sieht leider oft anders aus und die TS denken oft dass sie bei einem Tauchkurs über den TL versichert sind.
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