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MatschtaucherGanz echter Tauchschein

Rettung aus Boot in 30m

Moin!
Ich habe eine Frage bezüglich des geretteten Kochs aus den Nachrichten. Der war 3 TAGE in 30 m Tiefe eingeschlossen. Dehydration und Unterkühlung hatte er ganz sicher auch...
Nun meine Frage: Wie haben die den aus der Tiefe sicher nach oben geholt und wie lange hat der für die Deko gebraucht? Wäre nett wenn mir das einer beantworten könnte. Ich habe einen OWD und in meiner Ausbildung sind wir nicht weiter auf Dekotauchgänge eingegangen. Deshalb weiss ich auch nicht wie man das berechnet.
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DorisMittelschule (damals)
07.12.2013 09:07
in deutsch

http://www.sueddeutsche.de/panorama/nach-schiffsunglueck-in-nigeria-schiffskoch-ueberlebt-zwei-tage-unter-wasser-1.1695253
shuttleTL** / Instructor Trainer / MSDT / TMX
07.12.2013 10:28
"wie lange hat der für die Deko gebraucht? " -> zwei Tage war er in der Druckkammer, in der er jedoch auch bezüglich des Gesamtzustandes behandelt wurde.

Zur Dekompression: Nach einer gewissen Zeit ist maximale Sättigung im Körper in der Tiefe erreicht. Wenn alle Gewebe gesättigt sind, bleibt die Dekompressionszeit konstant. Für die Dekompression ist es dann irrelevant, ob die Tauchdauer x Stunden oder einige Tage beträgt

"in meiner Ausbildung sind wir nicht weiter auf Dekotauchgänge eingegangen" -> wir sind hier nicht im Bereich Dekotauchgänge, sondern im Bereich Sättigungstauchen.

"weiss ich auch nicht wie man das berechnet" -> Mit Hilfe entsprechender Deko-Algorithmen.
grogCMAS**
07.12.2013 14:56
Zu "Dehydration": Laut ausländischer Presse hatte er immerhin eine Flasche Cola in Reichweite. Nicht viel für 72h, aber viel besser als nichts.

Zu Unterkühlung: Die Wassertemperaturen an den Küsten Nigerias lagen im Unglücksmonat bei ca. 27°C, in 30m Tiefe vermutlich auch noch nicht viel weniger. Und in dem Raum, in dem er sich befand, stand ihm das Wasser auch nur bis ca. zur Hüfte.

Auf jeden Fall dürfte er glücklich aber unfreiwillig einen fast unschlagbaren Rekord im Überleben eines Schiffsuntergangs aufgestellt haben...
hagdornSSI-RD
08.12.2013 13:10
ich frage mich halt, wie gross war die luftblase, dass er für 60 stunden luft hatte ? korrigiert mich wenn ich falsch liege : bei ruhiger atmung verbraucht ein mensch pro minute mindestens 10 liter luft - pro stunde also 600 liter - in 60 stunden also 36000 liter (36 m³) - auf dem video ist der raum in der der gerettete steht max. 1 meter hoch - die grundfläche müsste also 36 m² sein - im video sieht der raum aber wesentlich kleiner aus ... richtig gerechnet ? irgendwie bin ich skeptisch, ob das alles so stimmt ... aber vielleicht rechne ich auch falsch und glaube nicht an wunder ...
08.12.2013 15:21
@hagdorn:
Fasst richtig gerechnet. Der Mensch nutzt ja pro Atemzug nicht den kompletten Sauerstoffanteil. Da geht eine ganze Menge wieder "ungenutzt" raus.
Das heißt mit jedem Atemzug wird der Sauerstoff Anteil in der Atemluft weniger. Da sich Aufgrund der Tiefe aber auch der Partialdruck etwas erhöht, wird die Rechnung glaube ich ganz schön kompliziert.
Ob das aus dem Artikel aber alles so stimmt??
Kann stimmen, muss aber nicht
shuttleTL** / Instructor Trainer / MSDT / TMX
08.12.2013 17:16
@agdorn: "richtig gerechnet ? " -> nein, völlig falscher Ansatz (siehe auch divemark). Es handelt sich hier um einen geschlossenen, nicht offenen Kreislauf (wie beim klassischen Sport-Gerätetauchen). Die Luftblase bleibt, die Zusammensetzung der Gase verändert sich.

"bei ruhiger atmung verbraucht ein mensch pro minute mindestens 10 liter luft" -> nein, tut er nicht (er "verbraucht" nicht, sondern er nimmt auf und gibt wieder ab). -> In körperlicher Ruhe benötigt der Mensch (an der Oberfläche) etwa 0,3 Liter Sauerstoff (nicht Luft) in der Minute und atmet etwa 0,25 Liter Co2 wieder aus (nebst dem nicht "verbrauchten" Sauerstoff). Die wieder ausgeatmete Luft verbleibt (bei dieser Gegebenheit hier) in der Kammer - die Zusammensetzung des Gases verändert sich jedoch. D.h. bei den folgenden Atemzügen nahm der Mann wieder eine Luftgemisch auf, in jeweils veränderter Zusammensetzung (weniger O2, mehr Co2. Wobei der O2 Anteil da auf Tiefe sehr, sehr lange zur Versorgung ausreicht, Dank des erhöhten Sauerstoffpartialdrucks) . Zu Beginn betrug der Sauersoffpartialdruck (in 30m Tiefe) rund 0,84 pO2, auch ein durch die Atmung in den Tagen deutlich reduzierter Sauerstoffanteil ist also nicht das primäre Problem, eher die Zunahme des Co2.

"glaube nicht an wunder ... " -> muss man auch nicht, jedoch sollte man alle Faktoren (Gaszusammensetzung, Druckverhältnisse etc.) berücksichtigen Dieses "Wunder" ist übrigens gar nicht so selten: dass Menschen in Luftblasen tagelang überlebten gab es in der Vergangenheit in Wracks und Höhlen schon öfters. Zum Glück für die Betroffenen.
musicdiverDivemaster, Nitrox,
08.12.2013 17:39
Jetzt wird´s wirklich knifflig.
Grenzpartialdruck an der Oberfläche für Sauerstoff zur Ohmacht ist 0,12 bar. Bis 0,16 bar geht man von normalen Erhalt der Lebensfunktionen aus. Was aber noch nichts mit dem tatsächlichen Verbrauch an Sauerstoff pro Atemzug zu tun hat. Mit dem erhöhten Partialdruck in der Tiefe liegt die Menge an Sauerstoff ja auch noch höher(x4 in 30 M).
Aber bevor ich hier jetzt zu rechnen anfange, vielleicht war ja auch der sichtbare Raum und die tatsächlich in nicht sichtbaren Bereich vorhandene Luftblase wesentlich größer. Wäre ja auch eine Möglichkeit. Ist jedenfalls eine Geschichte einerseits wunderbar aber auch heftig ist (60 St. in Dunkelheit..)
08.12.2013 21:10

>> "Grenzpartialdruck an der Oberfläche für Sauerstoff zur Ohmacht ist 0,12 bar."<<

Richtig; und das entspricht an der Oberfläche (Meereshöhe) 12% O2.
In 30 Meter Tiefe aber reichen 3% für 0,12 bar PPO2.

D.h. in 30 Meter Tiefe kann man auch noch mit einem prozentualen Sauerstoffgehalt überleben, bei dem an der Oberfläche schon lange die Lichter ausgehen...
Mit anderen Worten: das Volumen an zur Verfügung stehender Luft reicht in 30 Meter Tiefe 4 mal so lange, als daß es an der Oberfläche reichen würde...


M.B.
shuttleTL** / Instructor Trainer / MSDT / TMX
08.12.2013 23:02
MB:
10.12.2013 09:34
Hai

"wundersame" Rettung? .... ich glaube es nicht
hagdornSSI-RD
10.12.2013 12:11
tausend dank für die vielen erklärungen.
man lernt doch immer wieder dazu.
merci !!!!
Gelbe MaskeMaske hilft!
Abz. "Für gutes Wissen" (Gold)
11.12.2013 22:48
@shuttle
"ein durch die Atmung in den Tagen deutlich reduzierter Sauerstoffanteil ist also nicht das primäre Problem, eher die Zunahme des Co2."
Vor Kurzem erläuterte ich das hier ja schon mal, siehe Ägypten-Tieftauchthread mit Luftanhalten.
Das CO2 kann sich nun hier ja schon unter Druck im reichlich vorhandenen Wasser auflösen und durch natürlichen Wasseraustausch wegtransportiert werden, qualitativ jedenfalls möglich...
(Quantitativ hab ich am CO2-Abtransport Zweifel, aber denkbar wär`s...)
LangerCMAS * *, Nitrox
14.12.2013 01:14
Was aber nun unbeantwortet blieb: welcher pp Co² hat nun welche Auswirkungen auf unseren Körper?

Interessant war die Theorie mit dem Abtransport. Daß Gas im Wassser in Lösung geht ist klar, genug Oberfläche und Wasservolumen für die Verdünnung ist auch da...
21.12.2013 23:05
Im Artikel steht: "Dem Tauchteam gelang es, dem Mann in der Luftblase eine Taucherglocke über den Kopf zu stülpen."
Au weia! Taucherglocke.

Er hat einen Taucherhelm auf bekommen mit Schlauchversorgung. Auf dem folgenden Video (http://www.youtube.com/watch?v=M-zuvQqArS4) kann man den Helm sehen. Sieht aus wie ein Kirby Morgan. Schaut zwar ein bisschen unsanft aus, wie er dem den Helm aufzieht aber immerhin.
Anschließend wird er in eine Glocke gebracht...

Man hört deutlich, dass die da mit einem Helium Gemisch unterwegs sind. Die Taucher quieken ganz ordentlich. Der einzige, der normal redet, ist der Operator, der die Aktion überwacht.

Naja, ansonsten halt wie bei Sättigungstauchern. Ab in die Glocke und aussitzen.

Aber ein sehr schönes Wunder, dass der gute Harrison überlebt hat. Tolle Sache!
Antwort