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seabirdSchnorchel-König

Tauchen und Fliegen ...

Hi, jeder Taucher weiß, dass man bestenfalls 24h nach einem oder zumindest einer Serie von TG wartet, bevor man in einem Flieger steigt.
Ich halte mich da seit Jahren dran und werde das auch weiter tun. Ich möchte nun einfach nur verstehen WARUM?
Der Kabinendruck moderner Flugzeuge liegt bei ca. 0,8 bar. Das wäre ein äquivalenter Druckverlust zu einem weiteren "Wasseraufstieg" um 2-3 Meter...
Mache ich da einen ganz blöden Denkfehler???
Oder ist die Erklärung der unwahrscheinliche, aber potentielle plötzliche Verlust des Kabinendrucks, der dann wirklich eine geschüttelte Mineralwasserflasche aus einem machen würde?
Danke schon einmal im Voraus für Eure Erklärungen!


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20.09.2015 16:44
Du sagst es: Drucksbfall. Aber auch schon, was die 0,2 bar betrifft: Sind es immer "nur" 0,2 bar? Und Vergleiche auch mal die Normaltabelle mit einer Bergseetabelle: 0,2 bar weniger hast du auch auf 2000m Höhe.
shuttleTL** / Instructor Trainer / MSDT / TMX
21.09.2015 08:45
"Das wäre ein äquivalenter Druckverlust zu einem weiteren "Wasseraufstieg" um 2-3 Meter." -> ja, und zwar ein plötzlicher um bis zu 33%, analog einem Hochschießen der letzten Meter unter Wasser an die Wasseroberfläche. Druckkammerbetreibern zu Folge macht solches Hoschießen einen Großteil der DCS Erkrankungen aus. Einer Studie der Uni Mainz zu Folge (Oktober 2008) werden 6% der DCS Unfälle durch einen Flug verursacht.

Desweiteren erhöht ein geringerer Sauerstoffgehalt und eine extrem trockene Luft in der Kabine zusätzlich die Gefahr an Bord.
21.09.2015 10:01
Sehr richtig, shuttles Anmerkung. Denke daran: Der TC lässt dich am Ende der Deko oder Nullzeit maximal gesättigt und gerade noch verträglich aus dem Wasser und nicht "entsättigt"! Da kann es dann schon perlen, wenn du schnell 20% Druck zusätzlich wegnimmst - ebenso wie übrigens auch durch körperliche Anstrengung, starkes Schwitzen oder kräftges Schütteln (rasante Zodiakfahrt) nach dem Tauchen.
EXIL - VFLerGUE Tech 1 / Cave 1
21.09.2015 13:59
Shuttle: Warum Hochschießen? Der Kabineninnendruck fällt bis zum Erreichen der Reiseflughöhe langsam auf 0,8 Bar ab. Wenn das 20 Min. dauert, entspricht das einer Aufstigsgeschwindigkeit von 10 cm (nicht Metern!!!) pro Min. Unter Hochschießen verstehe ich etwas anderes.

Der Fall eines Druckverlusts ist auch nicht der Grund. Kein Computer rechnet mit dem Druck in 12.000 Metern Höhe. Das Problem ist die Sättigung und geringe Übersättigungstoleranz der langsamen Gewebe, die bei normale Sporttauchgängen gar keine Rolle spielen, weil sie kaum aufsättigen. Bezogen auf den Druck in einem Flugzeug bringen sie jedoch eine erhebliche Vorsättigung mit und ihre Entsättigung dauert entsprechend lange.

Das die Flugverbotszeiten der allermeisten Computer für die Füße sind ist mir bewusst.
seabirdSchnorchel-König
21.09.2015 20:43
@ EXIL-VFLer: DANKE! Aber genau diesen Vergleich von 10cm (!) Aufstieg pro Minute hatte ich auch angestellt und das hat mich dann ziemlich verwirrt...
@ shuttle: "6% der DCS-Unfälle durch Flüge" glaube ich sofort, die Pathogenese (jenseits O2-Reduktion und trockener Luft) hatte mich interessiert und "Hochschiessen" kann es eben nicht sein, wie EXIL-VFLer mit der langsamen Aufstiegsgeschwindigkeit vorrechnet.
@ kwolf1406: Ich habe meine Frage bzgl. aller TGs formuliert, also nicht nur in Bezug auf die, bei denen mich der TC "maximal gesättigt" auftauchen lässt.
Ich denke, dass die meisten hier mit mehr als 10CM PRO MINUTE aufsteigen... aber die Übersättigungstoleranz der langsamen Gewebe kann die Erklärung sein.
shuttleTL** / Instructor Trainer / MSDT / TMX
22.09.2015 07:44
@EXIL-VFLer: Gut, Hochschießen mag übertrieben sein (ein Stilmittel der Verdeutlichung), gleichwohl wird (so wurde uns das einmal in einem Seminar erläutert) nach dem Schließen der Türen der Druck in der Kabine zunächst erhöht (auf dem Boden) und dann im Steigflug abgesenkt, nicht kontinuierlich bis zur Reiseflughöhe sondern bis zu den rund 2.500 m, von dort aus konstant gehalten bis zur Reiseflughöhe.
EXIL - VFLerGUE Tech 1 / Cave 1
22.09.2015 08:54
Ich hatte man einen TC, der an Land die Höhe über NN angezeigt hat und den habe ich mit in die Kabine genommen. Die angezeigte Höhe stieg bis zum Erreichen der Reiseflughöhe auf ca. 2400 Meter an, nicht nur bis zum Erreichen von 2400 Metern Flughöhe. Dort war es definitiv anders, aber selbst wenn du Recht hättest wäre die Geschwindigkeit nicht das Problem.

PS: Achte umgekehrt beim Sinkflug mal drauf, wann du das erste mal den Druck auf den Ohren spürst. Das ist weit eher als auf 2500 Metern.
23.09.2015 13:49
Die empfohlenen Aufstiegsgeschwindigkeiten sind reine Empirie und diese endet an der Wasseroberfläche! Auch im Bergsee auf 2000m ist man noch >2 Meter unter der Oberfläche noch über 1bar Umgebungsdruck.
Ein lineares weiteres Fortschreiben unter die 1bar Grenze an Luft ist mit Sicherheit falsch und erlaubt keine Vorhersage auf die Verträglichkeit eines weiteren Druckabfalls, auch wenn er einer 100-fach geringeren Geschwindigkeit entspricht aber innerhlalb weniger Minuten erfolgt!

Was  empfielt man also bei derart spekulativer Situation, wie sie im Flugzeug oder Passfahrt auftritt? Sie ist imho außerhalb der Entsättigungsmodelle und Sicherheit geht vor. Also sind die Flugvebotszeiten in TC und Tabelle mit gutem Grund sehr konservariv.

(Insofern ist auch mein obiger eigener Hinweis auf die Berseetabellle nur eine Krücke, die nur qualitativ verdeutlichen kann, dass niedriger Umgebungsdruck die Entsättigung zur Belastung macht.)
shuttleTL** / Instructor Trainer / MSDT / TMX
23.09.2015 13:57
kwolf:
gebaPadi OWSI
04.10.2015 20:34
Was aber bei einem rapiden Druckverlust in der Kabine ?
Ansonsten wird wohl,da haben Sie recht nicht allzuviel passieren obwohl es Dekounfälle gegeben hat, bei Personen welche niemals tauchten und bloß mit der Seilbahn auf 2.500 Metern fuhren.
Das mit der Deko ist so eine Sache wie mit dem Alkohol.Es gibt empfindlichreagierende und weniger empfindlichreagierende Personen.Einer,der heute noch völlig unempfindlich war kann übermorgen schon überempfendlich sein.Hier kommen noch viele unerforschten Aspekte dazu.Das sollte man wissen,deshalb im Zweifel: Lieber nicht.
Auch wenn Sie alles richtig machen,ein Restrisiko bleibt immer.
seabirdSchnorchel-König
04.10.2015 21:39
Bitte, bitte, und nochmals: ICH MÖCHTE NICHT NACH DEM TAUCHEN FLIEGEN, ICH WOLLTE NUR VERSTEHEN WARUM!
06.10.2015 22:07
"warun" - Nun, ich schätze, man kann letztlich nur schätzen. Da es aber auch Empfehlungen sind, wird sehr konservativ geschätzt. Das täte ich für mich selbst aber auch.
Allderdings ist die Flugverbotszeit keineswegs immer 24 Stunden. Die (durchaus aktuelle) Tabelle Deco2000 staffelt da durchaus auch nach Restsättigung (auch in Erwiderung zu deiner Antwort an mich weiter oben) von 4 bis 24 Stunden!
04.01.2016 23:36
Hintergundinformationen sind in zwei Fachartikel des Journals "Hörakustik" zu finden (Hörakustik 11/2011 und 12/2011). Kann die pdf-Version beider Veröffentlichungen auf Anfrage zusenden.
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