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Warum ist eine Steilwand Gefährlich?

Hallo

Ich und meine Frau sind Tauchanfänger.

Wir haben uns schon immer gefragt warum eine Steilwand nur für sehr erfahrene Taucher sind?

lg
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21.04.2014 09:20
Hi, zum einen ist es für Anfänger generell einfacher zu tarieren, wenn sie den Boden unter sich sehen, weil sie dann eine optische Referenz haben. Zum anderen verzeigt eine Steilwand nicht so schnell Fehler, d.h. wenn man beispielsweise absackt und dann eventuell falsch reagiert und weiter absackt kann man schnell in Tiefen geraten, in denen man nicht sein möchte. Dazu kommt in solchen Situationen die psychologische Komponente. Es macht schon einen Unterschied, ob ich weiß, dass egal was passiert, ich spätestens in 10 Metern auf dem Boden aufschlage oder erst einmal 50m gar nichts kommt.

Allerdings würde ich nicht sagen, dass man für Steilwände sehr erfahren sein muss - aber erfahren sollte man schon sein und auch die Tarierung im Griff haben.

Gut Luft,

Andreas
Stephan K.PADI DM, CMAS***, SSI XR, Apnoe 1, Eistauchen
21.04.2014 09:23
weil man durchsacken kann,
wenn man überbleit ist
die Tarierung ggf. noch nicht gut ist
ein Blick in die Tiefe hypnotisch sein kann
es eine Abwärtsströmung geben könnte
insgesamt zu schnell und leicht auf viel zu tief kommt.
21.04.2014 09:33
Ergänzend: Zum Steilwandtauchen sollte man sicher sein, dass man Probleme wie Wassereinbruch in die Maske, Maskenverlust, Fehlfunktionen der Ausrüstung und Partnerverlust und auch z.B. einen Wadenkrampf frei schwebend, ohne die Tarierung zu verlieren und ohne Streß bewältigen kann.
Auch kann die Orientiedung an einer Steilwand in die Irre führen, wenn sie in tieferer Region in eine Andere Richtung führt, als weiter oben. Wenn man das nicht merkt, muss ggf. ein langer Rückweg durch Freiwasser über großer Tiefe und ohne Grundsicht und Sicht zur Wand bewältigt werden können.
21.04.2014 09:40
... oder man gerät beim höher Gehen unter einen großen Überhang mit einem "Ausgang" außerhalb der Sichtweite oder des Blickfelds. Das hat schon öfters zu großem Schreck, Orientierungslosigkeit und Panik geführt.
salzwassertaucherCMAS ****, Advanced Nitrox
22.04.2014 11:00
etliche Punkte wurden schon genannt.

Was auch noch einen Unterschied macht ist wie weit es bei der Steilwand nach unten geht und ob der Grund noch sichtbar ist.

Im Mittelmeer bei einem sichtbaren Grund auf 30-40m ist es sicher nicht so "anspruchsvoll" als wie wenn es im See ab 20-25m stockdunkel ist bzw. der Grund auf >100m liegt (und damit nicht mehr sichtbar ist).

Deshalb meine Empfehlung:
1. zunächst mit Ausrüstung und Tarierung im flachen Gewässer vertraut werden
2. zum ersten Steilwandtauchgang einen erfahrenen Guide/Buddy mitnehmen der ggf. eingreifen kann.
25.04.2014 00:40
Hinzu kommt noch die psychologische Komponente, wenn Du z.B. wie an der Galerie im Walchensee 200 m dunkles, kaltes Wasser um Dich rum und unter Dir hast....

Nicht zu unterschätzen ist die Gefahr eines Tiefenrausches, der an einer Steilwand sehr schnell zu einer äußerst gefährlichen Situation führen kann.

Da kann einem das Taucherseelchen schon einen bösen Streich spielen.
Gelbe MaskeMaske hilft!
Abz. "Für gutes Wissen" (Gold)
25.04.2014 17:10
Steilwand ist saugefährlich! Weil:
1. Man hat eine optische Referenz, im Gegensatz zum Tauchen im Freiwasser (bei schlechter Sicht o.ä.).
2. Man findet auch ohne Navigationskenntnisse zum Ausgangspunkt zurück (hin: Steilwand rechts, zurück: Steilwand links).
3. Bei Ausfall des Tiefenmessers kann man sich bequem an der Steilwand orientieren und langsam hocharbeiten, im Freiwasser müsste man immerhin auf Schwebeteilchen achten.
4. Bei Tiefenrausch stört ebenfalls die optische Referenz, man könnte sogar anfassen. Bei Lampenausfall könnte man sich hochtasten. Im tiefen Freiwasser stört da nichts...
5. Man dürfte sich an Steilwänden nicht mehr auf die Unfehlbarkeit seines Jackets verlassen, was man im Meer bei 20..40m Wassertiefe (oder im Badesee) ja bekanntlich noch darf. Dort könnte man ja notfalls in aller Ruhe zum Ufer hochlaufen.
Gelbe MaskeMaske hilft!
Abz. "Für gutes Wissen" (Gold)
25.04.2014 17:25
(Aber vermutlich irre ich mich, und "OpenWaterDiver" heißt übersetzt nicht Freiwasser-Taucher, sondern Strandtaucher. Da gilt als "optische Referenz" und Notausstiegsverfahren eben immer: Siehe unten. )
26.04.2014 10:37
Wow, das ist ja mal eine erfreulich entspannte udn nüchterne Darstellung in allen Posts

Eins fehlt mir aber noch irgendwie ...

Was ist mit Steinschlag?
Abgebrochene flache Steine/Korallen können sich beim fallen recht weit von Wänden entfernen udn schon nach wenigen Metern heftig zuschlagen, aber das meine ich weniger, genauso wie auch immer mögliche grossfächige `Erdrutsche`.

Bedeutender finde ich fallengelassenes Material von darüber schwimmenden Tauchern und Booten, die ja alle in Ebenen übereinander an der Wand hängen, anders als verteilt im Freiwasser.

Bleitaschen/Gürtel in erster Linie, aber an mir ist auch mal ne recht grosse dicke Handlampe mit geplatzem Glas vorbeigekommen und ich hab schon öfter mal gehört wie grosse Mengen Blei, Anker oder Flaschen und selbst ganze Motoren bei Zodiaks über Bord gegangen sind, die in die Brandung geraten.

Erfahrung erlaubt dann Überhänge und Verkehr einzuschätzen und brüchige Stellen zu erkennen, unter die man nicht geraten sollte.
26.04.2014 19:56
Im Überlingen, Bodensee, z.B. können von der Halde, die erst in 20m in Steilwand übergeht plötzlich Dreckwolken runterkommen und in null komma nichts die Sicht massiv eintrüben. Dagegen sollte man auch stressfest sein.
koelle76VDST TL**
27.04.2014 11:40
Wie schon richtig angemerkt, gibt es gewisse Dinge, die beim Tauchen an einer Steilwand bedenkenswert sind. Allerdings sollte man jetzt eine Steilwand nicht zur Todesfalle bzw. Tauchgebiet für Profis missverstehen.

Ja, es gibt gewisse Risiken. Aber wie die gelbe Maske auf seine unnachahmlich sachliche Art schon dargestellt hat, gibt es beim Steilwandtauchen auch durchaus gewisse Vorteile im Vergleich zum Freiwasser (wohin sich viele Baggerseetaucher aber eh selten verirren).

Also testo00: Das Tauchen an einer Steilwand ist eine tolle Sache, die bei ausreichender taucherischer Routine auch nicht mehr Risiken und sogar gewisse Vorteile bietet als es andere topografische Formationen tun.

Steilwandtauchen ist wirklich sehr schön und man sollte sich das nicht entgehen lassen, wenn man die Gelegenheit dazu hat und die Grundfertigkeiten des Tauchens (Tarierung, Lage, etc.) sicher beherrscht.

Die sicherste Herangehensweise ist sicherlich, wenn du die ersten TG an einer Steilwand mit einem erfahrenen Buddy oder einem Guide/TL machst. Aber das sollte eigentlich für alle unbekannten Tauchbedingungen gelten. Das gibt dir eine zusätzliche Sicherheit, dass jemand da ist, der den Kopf frei genug hat, richtig zu reagieren, falls ein Problem auftritt. Es muss ja nicht zwingend der Bodensee o.ä. sein. Es gibt auch weniger anspruchsvolle Steilwände zu betauchen.

Das Tauchen an einer Steilwand ist wirklich kein Hexenwerk. Und nicht jede Steilwand endet im Nichts. Also lass` dich nicht abschrecken, sondern taste dich langsam und mit gesundem Menschenverstand an das Thema heran.

Trollmodus an:
Erstaunlich, dass es noch keinen Specialty Steilwandtauchen gibt. Wenn ich mir hier die Gefahren so anschaue. ;)
Trollmodus aus.
27.04.2014 12:44
... und es ist keineswegs nur Tekkies vorenthalten. Hier bat man Landschaft und Stimmungen, die auf mäßigdn Tiefen auch nicht viel anders sind, als jenseits der Sporttauchtiefen.
kölle:
29.04.2014 09:46
Ok Dann Danke ich mal für die recht vielen Informationen
02.05.2014 10:25
Hallo testo00,

beim Blick ins Freiwasser oder ins Bodenlose sehe ich eher die Gefahr von Vertigo, als (wie oben von Nemofisch angemerkt) von Tiefenrausch. (Gelbe Maske hat auch eher die Antwort auf Vertigo gegeben als auf Tiefenrausch.)

Und bei einer viel betauchten Steilwand haben nicht nur die unteren Taucher Probleme mit fallenden Gegenständen sondern auch die oberen mit aufsteigenden Blasen.

Und unabhängig von Tarier-Eigenschaften kann das "Tiefen-Bewusstsein" schnell schwinden.
Erst siehst Du einen Fisch 2 Meter unter Dir und denkst noch bewusst "das geht noch", dann siehst Du von dort aus einen Gegenstand, von dort aus eine kleine Höhle, von dort aus noch mal einen Fisch, von dort aus einen Muschel-Haufen und Du hast Dich nur 1x mit dem Thema "noch mal kurz ein wenig Tiefergehen" beschäftigt und bist dabei schon 10 Meter tiefer als ursprünglich geplant.... mit all den evtl. Folgen.

Ich persönlich mag Steilwände. Sie haben ihren ganz eigenen Reiz.
So geht es aber leider auch vielen Anderen, die sich aber teilweise der potentiellen Gefahren nicht bewusst sind.
Es gibt sogar Tauchclubs, die mit Steilwand-Tauchen im Bodensee auf ihrer eigenen HP werben für die Vereinsausfahrt, obwohl die meisten Mitglieder nur 1-2 Baggerseen kennen, die Jojos verzeihen. Und dann kommt es auch mal schnell zu Jojos und und plötzlichen Notaufstiegen mit Krankenhaus-Aufenthalten....


Gut Luft

FANATIC DIVER
PygmyseahorseCMAS* 120TG
03.05.2014 17:26
versteh ich nicht !?

Baggerseen die Jojos verzeihen, wo gibt es die denn? da muss ich hin!

Wusste gar nicht das es auf den See ankommt, dachte immer die Tiefe des Jojos wäre schuld!

Wenn ich das so lese, noch mal kurz ein wenig Tiefer, schwarze Wand 200m nichts, Tiefenrausch, Vertigo...
Vieleicht sind es gar nicht die Wände sondern die Menschen die gefährlich sind?

Steilwände sind großartig!!!

Ein Jacket mit ausreichend Auftrieb ist eh Pflicht. Den besten Refferenzpunkt bietet mir immer die Tiefenanzeige auf meinem Compi und mit nem nette Buddy hat man sogar zwei davon dabei.
Bei unerfahrenen sollte ein erfahrener Guide dabei sein!

Dann fehlt nur noch eine schöne, mit Korallen bewachsene Steilwand mit milder Strömung und ordentlich Fisch, und ab gehts in eine Richtung, 1 Stunde Rifffilm kucken ...
Dann wird die Boje gesetzt und das Boot sammelt euch ein.
Das macht richtig Laune!!!


viel Spaß beim ausprobieren
03.05.2014 21:39
@Pygmyseahorse

Aber wo kommen wir denn da hin, wenn hier im Taucher.net nicht immer der `Respekt vor dem lebensfeindlichen Medium` betont würde

Tauchen ist eben so toll, das alle immer den Hacken dabei suchen und da es eben keinen Hacken hat, endet das nie

Ich für meinen Teil freue mich gerade wahnsinnig im Voraus auf nen paar hundert Meter (gefühlte) Sicht in den Dropoff und heftige Strömung
Und ich bin unsportlich und hab Höhenangst
Seit ich das zum ersten Mal ausprobiert habe, weis ich ja, wie wenig Grund es für Ängste dabei unter Wasser gibt.

Ich hab manchmal den Eindruck, Erfahrung bedeutet beim Tauchen nicht viel mehr, als das man schon für jede überflüssige Angst, die einem in der Ausbildung eingeredet wurde, den Gegenbeweis bekommen hat.
03.05.2014 22:52
Alles doch easy, oder was?
Wer schreibt von gefaehrlich? Es ist nicht gefaehrlich, wenn man weiss, was man tut. Aber letzteres ist keine Frage der Unbekuemmertheit, sondern des Wissens. Und etwas Respekt ist auch gut. Und es ist ein Unterschied, ob im tropischen Meer oder im dunklen, kalten, bodenlosen Bergsee.

Das hat nichts mit elitaerem Geheimwissen oder Machogehabe zu tun, sondern mit einfacher Vernunft. Aber Vernunft war noch nie Mainstrem und fuer manche eine gefuehlte Spassbremse.
03.05.2014 23:45
Ich bin immer nur erstaunt, das alle immer nur Ängste mitbringen und tausend Sorgen haben.
Gepaart mit der Arbeit und dem Stress, den tauchen am Anfang macht bleibt nicht viel tauchen übrig.

Dem verfallen alle. Alle erfahrenen Taucher prollen rum, wie schwer das alles ist - selbst die, die das gar nicht so wollen.

Ist einfach ne geänderte Perspektive und man kann es vorher nicht nachvollziehen und hinterher vergisst man, wie schwer das mal erschienen ist.
ramklovApnoeTL, TL**
04.05.2014 01:22
"Steilwände sind großartig!!!" ->

Steilwände sind auch sehr übersichtlich, weil in jeder Tiefe die Steilwand als Bezugspunkt vorhanden ist. Wie geschaffen für 2-dimensional denkende Wesen wie Landbewohner. Also: Steilwände sind einfach zu betauchen, wenn man tarieren kann, an ein wenig Redundanz denkt und vernünftig ausgebleit ist.

Im Vergleich dazu: Tauchen am schägen Hang: Steigt man vom schrägen Hang senkrecht auf, befindet man sich im Blauwasser - ohne Bezugspunkt und bei schlechter Sicht schnell noch ohne Buddy.

Sorry aber bei Aussagen wie "... überflüssige Angst, die einem in der Ausbildung eingeredet wurde..." frage ich mich, was die Leute eigentlich in ihrer Ausbildung gelernt haben.

gruß ramklov
12.05.2014 19:00
@ramklov

Das Steilwände großartig sind, kann ich mich nur anschließen
Tarieren können ist Grundvoraussetzung, genau wie beim Wracktauchen. Klar, es ist schon was anderes in Ägypten an einer Wand zu schweben als am Bodensee. Nicht vom Tarieren, sondern von den äußeren Bedingungen - aber alles Gewohnheit und Beides goil !!!!!!!
Antwort