Hallo Jessica,
Muschel-Sex! Ein spannendes Thema!
Bei ein paar Tausend Arten weltweit ist Muschel natürlich nicht gleich Muschel
, aber verallgemeinernd kann man doch sagen, dass Muscheln getrenntgeschlechtlich sind, es also männliche und weibliche Tiere gibt. Dieser Status kann allerdings kann im Laufe eines Lebens wechseln (z.B. bei den Austern).
Die erwachsenen weiblichen Muscheln produzieren jährlich ein paar dutzend Millionen von Eier in der Größe von 50 bis 100 Tausendstel Millimetern. Das Ausstoßen dieser Geschlechtprodukte stimuliert das gleiche Verhalten bei ihren Artgenossen, sodass es biochemischen zu einer oft erstaunlich präzisen zeitlichen Synchronisation kommt (Stichwort `Massenhochzeit`). :o
Aus den befruchteten Eiern entstehen innerhalb weniger Stunden nicht etwa sofort fertige Muscheln, sondern erstmal bewimperte, freischwimmende, sog. planktonische Larven, die verdriftet werden. Sie heißen lat. `Trochophora`.
Abhängig von Nahrungsverfügbarkeit (einzellige Algen) und Temperatur entwickeln sie innerhalb von einigen Tagen zwei hauchdünne Schalen in D-Form. Bei einigen Arten beginnt bereits zu diesem Zeitpunkt das Bodenleben, andere Muschellarven schwimmen mit Hilfe eines bewimperten Segels (lat. Velum) noch etwas in der Wassersäule auf und ab. In diesem Stadium werden die Larven `Veliger` genannt.
Mittels einer Zementdrüse wie bei den Austern, den Byssusfäden bei den Miesmuscheln oder `einfach` nur mittels des kräftigen Fußes verankert sich die Larve je nach Art nach wenigen Tagen bis drei Wochen auf ihr bevorzugtes Substrat und wächst zur erwachsenen Muschel heran.
Was nun diese `Standard`-Vermehrung angeht, treiben es u.a. einige der einheimischen Muscheln recht bunt:
Fluss- und Teichmuscheln entwickeln sich statt über die Veligerlarve über ein parasitisches Larvenstadium, das sog. `Glochidium`.
Zur Paarungszeit im Spätsommer werden die Eizellen des weiblichen Tiers vom Eierstock in die Kiemen transportiert. Die vom Männchen ins Wasser entlassenen Spermien atmet das Weibchen ein. Sie befruchten in den Kiemen die Eier, wo sie sich auch weiterentwickeln. Soviel zum Stichwort `Brutpflege`. Übrigens: Weibchen, die nicht genug Samenzellen erhalten, können sich in Zwitter verwandeln und durch Selbstbefruchtung versuchen, den Fortbestand der Population sicherstellen.
Zürück zu Mama-Muschel: Wenn nun ein Fisch vorbeischwimmt, `spuckt` die Flussperlmuschel-Mutti ihre Kindlein, sprich die Glochidien gezielt aus! :o
Die Larven docken nun mit sehr viel Glück mittels Haken/Fangleine auf der Fischhaut/den Kiemen an und nisten sich im weiteren dort parasitisch ein. :o Natürlich trifft nur ein geringer Prozentsatz der etwa 4 Millionen Glochidien pro Muttertier auf einen geeigneten Wirt (Fußperlmuschel: Bachforelle + Lachs; die Regenbogenforelle ist gegen Glochidien immun!), und noch viel wenigeren gelingt es, sich erfolgreich einzunisten und von den Fischsäften zu naschen!
Aus den Glochidien entstehen schließlich kleine Jungmuscheln, die vom Wirtsfisch abfallen und einen geeigneten Standort aufsuchen, an dem sie sich zu einer erwachsenen Muschel entwickeln können. Bis die einheimischen Großmuscheln ihre Geschlechtsreife erreichen, kann es mehrere Jahrzehnte dauern. Flussperlmuscheln werden durchschnittlich achtzig bis hundert Jahre alt, fortpflanzungsfähig sind sie allerdings erst ab 15 - 20 Jahren! :o
Dies, ihre Ansprüche auf unbelastetes Wasser, eingeschleppte Freßfeinde wie die Bisamratte und die komplizierte und wirtabhängige Entwicklung, (man vergleiche all dies nur mit den Quickies und schnörkellosen -Lebensläufen von Dreikant/=Zebramuscheln!!) sind für den Rückgang vieler einheimischer Arten, vor allem der Flussperlmuschel, verantwortlich.
@Polyprion: 100 Punkte für die Richtigkeit all deiner Posts!
BIO-Uli
BIONAUT
Ohne BIO fehlt dir was!
Sonderbrevet / Spezialkurs Süßwasserbiologie
Sonderbrevet / Spezialkurs Meeresbiologie