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TECH-DIVING 2006

Hallo zusammen,

an vergangenen Wochenende fand nach 1994 und 2000 die dritte TECH-DIVING in Stockholm statt.

Hier eine Zusammenfassung über das was ihr verpasst habt:

Austragungsort war Stockholm in Schweden und über zwei Tage verstanden es die Organisatoren, der Tauchclub KTH Dykarklubb des schwedisch königlichen Instituts der Technologie, die Zuhörer mit ausgezeichneten Sprechern und interessanten Vorträgen, sowie einem ansprechenden Rahmenprogramm zu unterhalten.
Insgesamt 10 Vorträg aus verschiedenen Bereichen des technischen Tauchens wurden von Sprechern aus USA, Südafrika und Europa in einem Hörsaal der Universität Stockholm präsentiert. Neben den Präsentationen gab es eine Ausstellung von Rebreathern unterschiedlichster Bauart und Alters, sowie einer kleinen Präsentationsfläche von Herstellern, einer Trainingsorganisation und Tauchbasis.
Die Vorträge wurden in Form von Powerpointepräsentationen, vielmals unterstützt durch kurze Videosequenzen vorgetragen und hatten durchweg eine äußerst hohe Qualität, was den Informationsgehalt, die Bilder, Videos und den Unterhaltungswert betraf.

Don Shirley aus Südafrika berichtete ausführlich über die letzte Boesmangats Expedition, die mit dem Tod von David Shaw bei dem Versuch einen seit 10 Jahren vermissten Taucher aus 270m zu bergen, tödlich endete.
Auch wenn einiges über die Umstände bereits bekannt waren, war die Präsentation sehr beeindruckend. Don berichtete über die Landschaft rund um Boesmangats, die logistischen Schwierigkeiten, die Vorbereitungen vor Ort und den letzten Tauchgang selbst.
David Shaw entdeckte die Leiche des vermissten Tauchers während eines tiefen Tg in einem vorhergehenden Projekt. Der Tg wurde abgebrochenen und David Shaw äußerte sich in einem anschließenden Interview (das im Rahmen der Präsentation gezeigt wurde) ziemlich zuversichtlich und überzeugt, dass es kein Problem sein dürfte, den Körper aus 270m Tiefe zu bergen. Eine minutiöse Planung des Leichentransport in einem Leichensack von Taucher zu Taucher mit unterschiedlichen Einsatztiefen wurde der Vorzug vor Bergung durch Leine oder Hebesack gegeben, da man nicht wusste, in welchen Zustand die Leiche nach 10 Jahren ist. Don erklärte, dass man verhindern wollte, dass Knochen auf den Weg nach oben runterfallen und man nur noch den leeren Anzug aus dem Wasser zieht. Wie extrem solche Dinge besprochen werden müssen, zeigt die Planung, dass im Notfall nur der Kopf nach oben gebracht werden soll, damit man über einen Gebissabgleich den Taucher tatsächlich identifizieren kann....
Wie die meisten wissen, verlief die Bergung nicht so leicht, wie Shaw dachte und er verstarb beim Versuch die Leiche zu bergen in 270m Tiefe. Shaw trug während des Tg eine Helmkamera und das gezeigte Video war aufgrund der Qualität und Größe sehr beeindruckend.
Als Probleme, die zum Tod von Shaw führten, gab Don die Tatsache an, dass der sehr intakte Leichnam (nach 10 Jahren!!!) sich aus dem Sediment an Grund löste und herumtrieb, was die Verpackung in den Leichensack für Shaw alleine unmöglich machte, die Helmkamera, die ein Umhängen des Goodmanhandle verhinderte und ein Verfangen in seiner eigenen, "verlegen" Leine.
Don, der die geborgene Leiche in 220m Tiefe übernehmen sollte, versuchte zum Grund abzutauchen, nachdem ihm klar war, dass etwas nicht stimmte und hatte offensichtlich auf das entsprechende Gas. Ein implodierende Elektronikanzeige seines Buddy Inspiration hinderte ihn jedoch daran und er hatte extreme Probleme beim Auftauchen, die mit einem Dekounfall und langanhaltende Gleichgewichtsschwierigkeiten endete....

Als nächstes referierten die Schweden Björn Hagberg und Johan Candert über die deutschen Schiffswrack Steuben, Gustoff und Goya. Vorab kann ich diejenigen, die solche Tg brauchen darüber informieren, dass alle drei Wracks betauchbar sind. Von Polen werden wohl auch kommerzielle Tauchfahrten unternommen.
Der Vortrag umfasste die Geschichte der einzelnen Wracks unterlegt mit historischen Ton- und Bildaufnahmen, die Untergänge und die Tauchgänge an den Wracks. Auch in diesem Vortrag gab es ausreichend Bild- und Videomaterial von hoher Qualität zu sehen. Der momentane Zustand der Wracks wurde beschrieben und gezeigt. Die Gustoff ist nur noch ein Trümmerhaufen, die durch Sprengungen, U/W - Arbeiten und Torpedierung nach dem Untergang entstanden ist. Steuben und Goya sind in einem sehr guten Zustand . Die Steuben liegt in 75m Tiefe auf der Seite und soll sehr schwer zu betauchen sein. Die Goya soll gespenstisch wirken. Insbesondere die Tg an der Steuben und Goya hatten eine offensichtliche bedrückende Wirkung auf die Referenten gehabt. Beide teilten meine Meinung über das Tauchen an solchen Massengräbern und äußerten ihr Unverständnis über die Zerstörungen an der Gustloff und die kommerzielle Betauchung der Wracks.
In Bezug auf die Diskussion zu diesem Thema auf der TEC-Liste möchte ich nur kurz auf eine lediglich mündlich erfolgte Schilderung über einen Frachtraum in der Goya, in dem über 2000 Menschen starben. Nach Angaben der Schweden offenbart der Blick in diesen Frachtraum noch heute eine meterhohe Schicht von Skeletten. An den Wracks Steuben und Goya sieht man überall Gebeine. An der Goya geht das so weit, dass man aufgrund der bakteriellen Zersetzung noch die Überreste der Körper um die Gebeine erkennen kann.... Wenn man jetzt noch weiß, dass es auf der Goya überwiegend Frauen und Kinder waren spare ich mir weitere Kommentare zu Thema Tauchen an Massengräber und den Wunsch einen "Blick in die Vergangenheit werfen zu wollen"!!!
Der Moderator der Veranstaltung Dr. Fred Hocker, Meeresarcheeloge und Direktor des VASA Museums bestätigte die beiden schwedischen Taucher.

Nach dem Mittagessen, dass unmittelbar neben dem Konferenzraum in einer kleinen Kantine eingenommen wurde hielt Dr. Bruce Wienke ein Update über das Tauchen mit Helium und die Deco nach solchen Tg. Er ging dabei natürlich auch auf "sein" RGBM Modell ein, die Vorteile des Heliums, die isobare Gegenfusion sowie die Tg der WKPP und die derzeitigen Computer, Tabellen und Software. Alles in Allem überwiegend bekannte Dinge, jedoch im Hinblick auf den Referenten sehr kompetent und anschaulich vorgetragen.
Persönlich gefielen mir die Vorträge mit praktischen Bezug besser, aber dennoch hatte der Vortrag über die Decotherorie eine sehr hohe Qualität.

Der zukünftige Präsident und das einzige Mitglied von DIR India Micha Waldbrenner vertrat Reinhard Buchaly, der leider verhindert war und gab einen Überblick über die Idee, Entwicklung und das Tauchen mit dem RB80 in sehr unterhaltsamer Art und Weise.

Als letzter Sprecher gab der Autor von "The last dive" Bernie Chowdhury einen Überblick über die Geschehnisse, die zu dem Buch führten und welche Lektionen für jeden Taucher aus diesem Buch zu ziehen sind. Ein klasse Vortrag!!! Gekrönt wurde er mit dem Video, dass 6 Tage nach dem Tod der Roussos durch einen Taucher in und an dem Wrack des U-Boots gedreht wurde und die Leinenverlegung in dem U-Boot durch Chrisy zeigte. Niemand der anwesenden Taucher hatte auch nur die leiseste Idee, dass ein Tg auf 75m Tiefe mit Luft als Atemgas in ein U-Boot Wrack eine gute Idee ist...

Für den Abend wurde ein gemeinsames Essen mit reichlich Gesang und Alkohol angeboten und im Anschluss traf man sich in einem angemieteten Pub wurde weitere Gespräche . Besonders die zahlreichen schwedischen Teilnehmer wahre von den günstigen Alkoholpreisen entzügt.....

Am Sonntag konnten die Teilnehmer die unterschiedlichen RB-Modelle im Ausstellungsraum unter kompetenter fachlicher Betreuung mit den Fingern anschauen und Fragen stellen. Es war so ziemlich alles an RB`s vorhanden und es wurde rege über Vorteile und Nachteile einzelner Modelle diskutiert.

Danach referierte Micha Waldbrenner über die Anforderungen von Explorationstauchgängen in französischen Höhlen. Anforderungen an Ausrüstung, dem Tauchpartner und dem Team wurden ausführlich dargestellt.

Danach hielt Dr. Alf o. Brubakk, Professor der Physologie an der norwegischen Universität für Forschung Technologie in Trontheim einen Vortrag über den derzeitigen Stand in Bezug auf die Entwicklung eines neuen Dekompressionsmodell "Copernicus". Viele einzelne Details wie Vorteil von deepstops bei Tg von mehr als 30 Minuten Grundzeit und kein Vorteil bei weniger als 30 Minuten Grundzeit, Wirkungsgrad von Hitze, sportliche Betätigung vor dem Tg als "Schutz" vor DCS i.V.m. diversen Versuchsreihen machten aus dem sehr theorielastigen Thema einen wirklich interessanten Vortrag. Zum Schluss erklärte er, dass er vor ca. 20 Jahren, als er begann sich mit diesem bereich zu beschäftigen, davon ausging, die Thematik innerhalb von einigen Monaten abschließend durchleuchtet zu haben......

Der Moderator Dr. Fred Hocker sprang dann für den erkrankten Tom Mount ein und hielt einen sehr interessanten Vortrag über das Projekttauchen im Rahmen einer archelogischen Fundstelle an der Küste der Türkei. Grundsätzlich muss man sagen, dass DIR ein Verein von Hippies ist, was Regeln angeht, wenn man sieht, wie strikt in den vorgestellten archelogischen Projekten die Einhaltung von Regeln in bezug auf jeden Aspekt des Tauchens betont wurde. Eine wirklich imposante Vorstellung. So wurde in 11 Jahren über 22.000 Tg in Tiefen zwischen 36 und 61 Meter mit Luft durchgeführt. Jeder Taucher tauchte zwei Mal am Tag und es gab einen tauchfreien Tag in der Woche. Im Durchschnitt waren es tauchende Studenten, die 12 - 15 Wochen an der Fundstelle tauchten..... Lediglich 14 Unfälle waren zu verzeichnen. Toller Vortrag mit guten Bildern.

Als letztes berichtete Dr. Mark Dougherty, ein in Schweden lebender Engländer, über den Ablauf der Bergungsarbeiten bei dem tödlichen Tauchunfall in der Plurahöhle in Norwegen im Sommer dieses Jahres.
Der Hergang des Unfalls an sich wurde dabei völlig außer Acht gelassen, da er Referent aufgrund der Beteiligung an den noch laufenden Ermittlungen nichts aussagen darf.
Aber auch ohne diese Angaben oder vielleicht gerade deswegen, war es sehr interessant zu sehen, was alles zu einer solchen Bergung gehört. Wie vervollständigten hervorragende Bilder und ein Video einen sehr ansehnlichen Vortrag.

Die Teilnahme an dieser wirklich gelungenen Veranstaltung kann ich für die Zukunft nur jedem interessierten Tec-Taucher empfehlen!!!! Durch die internationalen Sprecher und interessanten Themen eine absolute Bereicherung, leider nur alle 6 Jahre.....

Gruß Brus
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27.11.2006 14:59
Vielen Dank für den ausführlichen Bericht!!

Wo bekomme ich die Info wann und wo diese Meetings stattfinden? Auf den einschlägigen Tec Seiten (Waldbrenners inkl.) finde ich diese Termine nicht.
Vielen Dank
Bo


27.11.2006 19:06
Hallo,

ich weiß nicht mehr, wo ich die Info zur Konferenz aufgeschnappt habe.... Wahrscheinlich auf einem der internationalen Foren. Wenn ich in Zukunft was höre, leite ich es weiter.

Gruß Brus
BUzzartRescue Diver
27.11.2006 20:34
Hey, ja der Artikel ist ja sehr interessant, bereue es das ich erst jetzt von diesem Treffen erfahre.
2012 bin ich aufjedenfall dabei, sowas kann man sich doh nicht entgehen lassen.
27.11.2006 20:37
Klasse, und danke......Hippie
Tariernixi.d.R. ausreichend
27.11.2006 21:59
Danke Brus!
28.11.2006 18:48
Echt mal ein toller Beitrag.

in einem absatz hast du geschrieben das Zitat:
"Danach hielt Dr. Alf o. Brubakk, Professor der Physologie an der norwegischen Universität für Forschung Technologie in Trontheim einen Vortrag über den derzeitigen Stand in Bezug auf die Entwicklung eines neuen Dekompressionsmodell "Copernicus". Viele einzelne Details wie Vorteil von deepstops bei Tg von mehr als 30 Minuten Grundzeit und kein Vorteil bei weniger als 30 Minuten Grundzeit,"

kannst du mir das erläutern (wahrscheinlich höhere aufsättigung als entsättigung richtig??) da ich immer gedacht habe das man deepstops einlegen sollte unabhänig von der grundzeit geht. Habe mich aber auch nicht super intensiv mit der materie auseinandergesetzt. Ein link zu diesem thema währe auch nicht schlecht am besten in deutsch.

Vielen dank im vorraus

Malte
28.11.2006 19:14
Ich selbst bin immer nur Mitleserin in diesem Forum. Jetzt muß ich aber mal schreiben; ein echt guter Beitrag!

Gruß Elke
29.11.2006 08:33
Gerade für mich sind das sehr wertvolle Hinweise, denn nach meinem 80m-Tauchgang mit der Trimix-M4 zzgl. der 15er mit Luft plane ich sicher demnächst auch eine Leichenbergung aus 270m.

Ich bin sicher, das geht den meisten Lesern so, deshalb das einhellige zustimmende Interesse.

cu
dd
29.11.2006 18:12
Hallo Malte,

wenn ich mich recht erinnere, wurde nur die Feststellung gemacht, dass in den Experimenten bei Tg < 30 min. deepstops keinerlei positive Wirkung in Bezug auf die Blasenanzahl im Blutstrom erzielten.
Bei Tg > 30 min. wurde jedoch ein deutlicher Unterschied festgestellt.
Bei diesem Thema und 45 min. Vortragsdauer war die Darstellung auch sehr komprimiert.
Hier gibt es einen ausführlichen Vortrag des Dr. in zwei Teilen im Internet. Folien aus diesem Vortrag wurden auch in Stockholm genutzt:

Teil 1 :
http://mediasite.com/presentation.aspx?p=15370

Teil 2:
http://mediasite.com/presentation.aspx?p=15371

Leider nur in Englisch, wie eigentlich fast alles wichtige und interessante in unserem Sport...

Gruß Brus
29.11.2006 18:28
Viele dank für die links Brus dann wede ich mich mal durch die präsentation arbeiten. Habe ich das jetzt richtig verstanden das es keinen vorteil bringt <30 min. grundzeit aber auch keinen nachteil.

Viele Grüße Malte
29.11.2006 22:50
@deeperdiver

Schon klar, einer muss ja mal wieder das Niveau dieses Beitrags in den Keller ziehen.



30.11.2006 13:17
Sehr gute Zusammenfassung, danke Brus.

Wenn jemand etwas mehr über die Boesmangats Expedition erfahren möchte , hier ein Bericht.

http://outside.away.com/outside/features/200508/dave-shaw-1.html

PlattCMAS ***
02.12.2006 21:51
Top Bericht.
Antwort