Azoren - Haitauchen in Europa. 'Solange es sie noch gibt'

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25.10.2015 11:08
Kategorie: Reise


Zweifelsfrei gehören Begegnungen mit Haien zu den aufregendsten Taucherlebnissen. Besonders, wenn es sich um Hochseehaie handelt, die sich bis auf wenige Zentimeter nähern. Direkt vor Europas Toren, auf den Azoren, gibt es genau so einen Topspot. Doch schon bald könnten diese spektakulären Haibeobachtungen Geschichte sein.

Bericht von Andreas Wackenrohr

Für europäische Taucher haben die Azoren in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Kein anderes Ziel unseres Kontinents kann mit solchen Toptauchplätzen für Großfisch aufwarten. Erst seit Anfang dieses Jahrzehnts werden hier kommerzielle Tauchgänge mit Haien angeboten.

Als besonders ergiebig zeigte sich dabei die Condor Bank, ein Plateau, das sich aus großer Tiefe bis auf zirka 140 Meter unter der Wasseroberfläche erhebt und mehrere Quadratkilometer groß ist. Die Fahrzeit von Horta aus beträgt witterungsbedingt durchschnittlich etwas mehr als eine Stunde.

Kaum am Tauchplatz angekommen, beginnt die Mannschaft eine Köderbox mit Fischabfällen zu füllen, um damit "eine Duftspur" für die Haie zu legen; diese geht dann gesichert mit einer Leine und einem Auftriebskörper über Bord. Zwischenzeitlich wird das Briefing durchgeführt.

Neulinge erhalten dabei wertvolle Informationen für das Rendezvous mit den Haien. Nun heißt die Haupttätigkeit "warten": Geduld ist gefragt, denn es kann möglicherweise sehr lange dauern, bis sich endlich ein Hochseeräuber an der Köderbox einfindet. Und manche dieser Ausfahrten sind nicht mehr vom Erfolg gekrönt. Dieser schmerzlichen Tatsache sollte sich jeder bewusst sein, der an einer solchen Tour teilnimmt.

Wenn sie dann da sind

Doch wenn sich die ersten Umrisse der Blauhaie (Prionace glauca) im Wasser abzeichnen, dann ist das elendige Warten schnell vergessen. Emsiges Treiben bestimmt nun die Szenerie, denn alle Teilnehmer wollen ins Wasser. Was sich dann dem Betrachter unter der Oberfläche präsentiert, ist wirklich beeindruckend: Die Brillanz des tiefblauen Atlantik, hier weit draußen im offenen Meer, schafft eine bilderbuchmäßige Kulisse.

Dass Blauhaie ein anderes Verhalten zeigen als Riffhaie, sollte jedem, der hier an einem Seil unter dem Boot hängt, klar sein. Denn sie kommen nahe, wirklich sehr nahe. Von Aggression ist bei diesen wundervollen Tieren jedoch nichts zu spüren. Im Gegenteil, die zwei Exemplare die sich hier eingefunden haben, schwimmen extrem ruhig, ganz ohne ein Zeichen von Hektik oder Stress zwischen der verlockenden Köderbox und den unbekannten, blubbernden Wesen hin und her. Die anmutigen Körper und die Eleganz der Bewegungen hinterlassen beim Betrachter einen tiefen, bleibenden Eindruck. Auf einer Rangliste der schönsten Haie würden die schlanken Blauhaie sicher auf dem Siegertreppchen landen.

Der Gedanke, dass auch diese Haie demnächst möglicherweise an einer Langleine hängen und ihnen die Flossen abgeschnitten werden, erzeugt eine gewaltige Portion Wut. Der kleinere Blauhai mit geschätzten 1,6 Metern ist noch nicht mal geschlechtsreif; die Chancen, dass er sich reproduzieren kann, stehen nicht sehr gut.

Noch vor kurzer Zeit kam es bei solchen Tauchgängen vor, dass sich auch der schnellste Jäger unter den Haien, der Makohai (Isurus oxyrinchus) auf einen kurzen Besuch einfand. Leider sind diese Besuche selten geworden und so bleibt er weiterhin auf dem Wunschzettel stehen.

Abenteuerspot in der Hochsee

Wenn es mit den Hochseehaien nicht klappt, gibt es die tröstliche Gelegenheit, mit anderen Hochseebewohnern zu tauchen. Der Tauchplatz: "Princess Alice Banks", rund 80 Kilometer südwestlich von der Insel Faial (etwa drei Stunden Fahrzeit), ist einer der wenigen betauchbaren Hochseespots im offenen Atlantik. Aus großer Tiefe ragt hier eine unterseeische Bergspitze bis auf etwa 35 Meter unter der Meeresoberfläche auf: Ein idealer Tummelplatz für viele Hochseebewohner! Dort kann man auf große Gruppen Mobulas treffen, aber auch Barrakudas und Bernsteinmakrelen schwimmen den Tauchern oft vor die Maske. Manchmal zieht sogar mal ein großer Wahoo (Acanthocybium solandri) oder kapitaler Tunfisch vorbei.

Wenn die Wetterbedingungen passen, steht dieser Toptauchplatz während der Saison fast täglich auf dem Plan vom Basischef Noberto Serpa. Sein Tauchcenter liegt direkt am Hafen in Horta, dem Hauptort auf der Insel Faial. Um die rund 45 Seemeilen dorthin relativ bequem und komfortabel zu bewältigen, hat Noberto einen schnellen, geräumigen Motorkatamaran mit WC und Salon angeschafft. Jeder der solch eine Strecke schon einmal mit einem großen Rib (Festrumpfschlauchboot) bewältigt hat, weiß diesen Komfort mit Sicherheit zu schätzen.


Abseits von Haien, Walen und anderen Highlights bieten die Azoren auch ganz alltägliche Unterwasserbegegnungen.

Die ganz Großen ganz nah erleben

Mit einem weiteren Highlight können die Azoren bei Tauchern und Naturliebhaber punkten: Die Inselgruppe ist Heimat von den unterschiedlichsten Meeressäugern. Auch die wandernden Arten, dem nahen Golfstrom sei Dank, ziehen hier vorbei. Dadurch sind die Gewässer ein echter Hotspot für die Giganten der Meere. Vor allem die ganz großen Wale, wie Pott- oder Blauwal sind es, die den Pulsschlag auf so einem Trip beschleunigen. Eine Ausfahrt zur Walbeobachtung ist obligatorisch.

Weiterhin bietet die Basis Touren zum Schnorcheln mit Delfinen an. Vier Delfinarten (Große Tümmler, Rundkopfdelfine, Gemeine Delfine und Streifendelfine) leben ständig in den Gewässern rund um die Inseln. Mit etwas Glück kann man ihnen unter der Wasseroberfläche recht nahe kommen. Das Team von Noberto kennt die Lieblingsplätze der Tiere und versucht jedem Gast zu seiner "Traumbegegnung" zu verhelfen.

Infobox Faial

Kleine Insel mit viel Geschichte

Der Azoren Archipel befindet sich mitten im Nordatlantischen Ozean. Die Insel Faial liegt etwa 1650 Kilometer vom portugiesischen Festland entfernt. Beim Sprung über den Atlantik hat man hier bereits ein knappes Drittel der Strecke bis Nordamerika bewältigt.

War es im 15. Jahrhundert die Hoffnung hier edle Metalle zu finden, folgten später die Walfänger. Erst Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde der Walfang endgültig eingestellt.

Früher, als die Reichweite der Flieger noch deutlich geringer war, bildete die Insel die wichtigste Zwischenstation für Transatlantikflüge. Zur Jahrhundertwende machten die Telegraphengesellschaften die Insel zum Knotenpunkt der internationalen Kommunikation. Heute ist der Hafen von Horta für viele Weltenbummler zu einem der wichtigsten Anlaufpunkte vor oder nach dem großen Sprung über den Atlantik geworden. Die Crews haben als Zeugnis unzählige Zeichnungen und Skizzen hinterlassen; etwa 1500 Segler legen Jahr für Jahr hier an. Etwas oberhalb des Hafens liegt Portugals berühmteste Kneipe: "Peter Café Sport", 1918 eröffnet, ist sie bis heute ein beliebter Treffpunkt.

Landausflüge

Auch über Wasser hat Faial einiges zu bieten. Naturliebhaber sollten die Einzigartigkeit dieser Inselwelt mit der bizarren Felsküste unbedingt erkunden. Am Hafen von Horta hat man einen grandiosen Blick auf die gegenüberliegende Insel Pico mit dem gleichnamigen Berg. Er ist der höchste Berg Portugals und wirkt gewaltig, da er sich direkt vor seinen Betrachtern von der Meeresoberfläche bis auf 2351 Meter erhebt. Je nach Sonnenstand, ergeben sich im Zusammenspiel mit den vorüberziehenden Wolken, immer wieder andere, unglaublich reizvolle Ansichten.

Einen Ausflug auf den höchsten Punkt der Insel, den Cabeco Gordo (ein alter Vulkan), der mit 1043 Metern auch nicht gerade ein Winzling ist, sollte man unbedingt einplanen. Der Kraterrand (Caldeira) hat einen beeindruckenden Durchmesser von etwa 2 Kilometern und fällt 400 Meter steil ab. Bei guter Sicht hat man von hier oben einen herrlichen Blick auf einige Nachbarinseln und die unendliche Weite des Meeres. Wer genug Zeit hat, kann den gesamten Krater umrunden. Günstig ist sicher der letzte Tag vor dem Heimflug. Auf Grund der Stickstoffsättigung ist das Tauchen sowieso tabu und es besteht keine Gefahr auf dem Gipfel irgendwelche Symptome der Dekompression zu bekommen.


Impressionen von Faial.

Die Insel bietet nur wenige Sandstrände: Meist laufen gewaltige Wellenberge gegen den Strand, die ein gefahrloses Hinausschwimmen unmöglich machen. Aber rund um die Insel gibt es sehr schöne, in die Lavafelsen gebaute, teilweise sogar bewachte Meerwasserbecken, deren Benutzung kostenlos ist. Dies ist nicht nur für Kinder ein toller Spaß!

Infobox Noberto Diver

Norberto Serpa hat seinen Tauchbasis bereits 1996 eröffnet. Auf der Insel gilt der gebürtige Azorer auf Grund seiner langjährigen Erfahrung und seiner Liebe zum Meer schon jetzt als Legende; sein Kopftuch ist sein Markenzeichen.

Für die Ausfahrten stehen den Gästen neben dem 12 Meter Katamaran drei weitere große Schlauchboote für Tauch- und Schnorchelausfahrten sowie zum Whale Watching zur Verfügung.

Fragen oder Wünsche, Noberto hilft gern.

Die beste Zeit für die Hochseespots ist von Juli bis Anfang Oktober. Sollte eine Schlechtwetterperiode die langen Ausfahrten nicht zulassen, so kann die Basis auf einige Tauchplätze in der näheren Umgebung zurückgreifen. Ob Tauchen in einer Meereshöhle mit kleinen Adlerrochen, in einem Tunnel mit tausenden kleinen Garnelen, Felsformationen mit einigen kapitalen Zackenbarschen oder ein flacher Tauchplatz mit Seepferdchen: Für Abwechselung zum Überbrücken der Wartezeit ist gesorgt.

Weitere Infos zum Tauchcenter: www.norbertodiver.pt

Erfahrungsberichte auf Taucher.Net: Norberto Diver, Ilha do Faial

Der Tauchreiseveranstalter Extratour Tauchreisen aus Göttingen arbeitet mit der Tauchbasis schon lange zusammen und kennt die Azoren sehr gut. Für Interessierte gibt es preisgünstige Komplettpakete (Flug, Unterkunft und Tauchen).
Preisbeispiel für 2016 : Eine Woche im Apartment (Belegung 2 Personen) oder Doppelzimmer im Gästehaus (ohne Verpflegung) in Horta, Flug, Flugsteuern und Tauchen mit Norberto Diver (6 Tauchgänge um Faial, 1 x Condor Banks mit Zodiak, 1 x Princess Alice Banks (2 Tauchgänge) per Katamaran, Flaschen, Blei): pro Person ab EUR 1.440,-

Weitere Infos: http://www.extratour-tauchreisen.de

Fazit

Der typische "Urlaubstaucher" wird hier sicher nicht seinen Traumurlaub verbringen. Denn die Anforderungen an die taucherischen und konditionellen Fähigkeiten sind ein bisschen größer und die klimatischen Bedingungen etwas härter als üblich. Wer aber mit Bedingungen wie Wellengang, Strömung, etwas kälterem Wasser, Tauchen im Blauwasser usw. klarkommt, der kann ein einmaliges Taucherlebnis mit besonderen Eindrücken erwarten. Da auf den Azoren das Wetter schnell umschlagen kann, sollten ein paar Tage mehr in die Urlaubsplanung einbezogen werden. Naturliebhaber werden jede Menge einzigartige Erinnerungen im "Rückfluggepäck" mitnehmen.

Tipp für das Haitauchen: Wer an einer solchen Ausfahrt teilnimmt, für den darf Blauwassertauchen kein Fremdwort sein. Empfehlenswert sind zudem erste Erfahrungen mit Haien, das hilft ganz sicher die Pulsfrequenz niedriger zu halten.
Nachgedacht

Im Bezug auf die Chancen für weiterhin Tauchen mit den Blauhaien, verweisen wir auf den Bericht von Sharkproject in DiveInside: Haischutz in der EU eine Farce.

Nach dem Lesen sollte eigentlich jedem klar sein, wie sich die Bestände zukünftig entwickeln werden. Besonders schlimm dabei: Diese unglaublich umweltschädliche Fangmethode kann ganz legal in den Hoheitsgewässern der EU angewendet werden!

Noch kann man diese faszinierenden Haie live erleben. Wie lange dies jedoch möglich ist, ...?

Video zum Thema:

Tauchen mit Blauhaien. Weitere Videos zum Tauchen an den Azoren in unserer Videodatenbank, Bereich Portugal.