Ruhepol im Kvarner. Insel Cres

Teile:
01.07.2012 23:06
Kategorie: Reise


Cres zu finden ist nicht schwer: Die Insel liegt exakt auf dem halben Weg zwischen Nordpol und Äquator. Um die Suche etwas zu erleichtern: Die Insel liegt auf dem 45. Breitengrad in der Kvarner Bucht in Kroatien. Sie ist in Nord-Süd-Richtung langgestreckt und sieht mit etwas Fantasie, oder nach einigen Gläsern Pelinkovac, so ähnlich aus wie ein Geisterpfeifenfisch.

Bericht von Harald Mathä

Der Kvarner Golf ist bei Urlaubern sehr beliebt. Die beiden größten Inseln der Adria liegen hier nebeneinander: Das etwas pummelige Krk und die schlanke Insel Cres mit ihrer Schwester Lošinj. Wer die Größere ist, darüber streiten sich die Krker und Creser. Krk, Rab und Lošinj genießen bei den Badetouristen hohes Ansehen und in der Hauptsaison kann es ganz schön belebt werden.

Auch Cres ist bei den Urlaubern beliebt, aber selbst im Juli und August nie so voll. Das liegt an der gebirgigen Topographie der Insel, aber auch an der Politik, die im Gegensatz zu den anderen langfristig kalkulierte (oder verschlief...). So ist es auch im Hochsommer auf der Insel verhältnismäßig ruhig. Disco, Animation und Beachparty muss man erst lange suchen, bevor man sie findet. Denn Urlauber, die nach Cres kommen, suchen Entspannung, Natur, gutes Essen und: schönes Tauchen. Und dann kommen sie immer wieder!


Infobox Cres


Größe: 66 km lang, 406 Quadratkilometer
Einwohner: ca. 3200 (nur 8 EW/km2!)
Lage: Kvarner Golf, Nördliches Kroatien
Währung: 7 Kuna = 1 Euro
Anreise: 30 Minuten mit Autofähren ab Istrien
oder Krk
Nächster Flughafen: Rijeka (auf Krk)
Geldautomaten: flächendeckend
Krankenhaus: in Mali Lošinj und Rijeka
Dekokammer: in Pula
Tauchbasen auf Cres:
Diving Cres: www.diving.de
Diving Base Beli: www.diving-beli.com
DC "Agram": www.agramsub.hr



Tauchen auf Cres


Wer Steilwände mag, wird sich auf Cres wohlfühlen, denn die Küste fällt um die Insel gerne auch mal steil ab. Oft bis 40 Meter, dann läuft der Meeresboden sanft aus. An den Ästen roter Geweihschwärme dieser Drop-offs streifen Katzenhaie ihre handtaschenförmigen Eier bevorzugt ab. Beim Tauchen an den Wänden ist eine Lampe von Vorteil, denn in jeder Spalte oder Nische kann eine Überraschung zu finden sein. Viele nacht- und dämmerungsaktive Meeresbewohner verstecken sich tagsüber in ihnen.

In der einen Spalte steckt ein schüchterner Congeraal. Nur sein grauer Kopf mit den blauen Augen ist zu sehen. Vor dem nächsten Loch sitzt eine große Seespinne und scheint auf etwas zu warten. Als die Taucher näherkommen, hüpft sie in ihr Loch und ist kaum mehr zu erkennen. Dafür weiden ein paar Meter weiter zwei große Leopardenschneckchen auf einem Feigenschwamm. Ein spiralenförmiges Laichband mit den befruchteten Eiern verrät, warum die beiden Nacktschnecken solchen Hunger haben.

Ganz unten ist die Steilwand unterspült. Grünblau dominiert hier als Farbe. Alte Fischernetze hängen von der Wand und geben ihr ein mystisches Aussehen. Hier könnte der "fliegende Holländer" inszeniert werden. Doch da! Ganz unten bewegt sich etwas. Eine Languste tastet mit ihren Fühlern die Umgebung nach Fressbarem und Gefahren ab. Ein Prachtexemplar! Im Restaurant würde sie wohl 700 Kuna oder mehr kosten.

Langsam kriecht die Kälte durch den Tauchanzug und auch die Nullzeit geht zu Ende, da erscheint ein Scherenpaar im Schein der Lampe. Ein kleiner Hummer kriecht den Sandboden entlang und sucht nach Leckerbissen. Den alten Netzen entlang geht es wieder nach oben. Über der Sprungschicht wird es angenehm warm. Schwärme schwarzer Mönchsfische schnappen nach Fressbarem. Ihre kobaltblaue Brut tut es ihnen gleich. Zwischen den Tentakeln der Seeanemonen gibt es kleine Schwebegarnelen, Anemonen-Seespinnen oder durchsichtige Widderkrebschen zu entdecken. Genau zu schauen lohnt sich!

Im Flachbereich dominieren Algen und Seegras in der lichtdurchfluteten Bucht. Goldschwämme ragen wie kleine Schornsteine aus der Wiese empor. Auf ihnen gibt es gut getarnte, gelbe Tylodinaschnecken zu entdecken. Mit Glück auch Seepferdchen.

Das Wrack der "Lina"


Das Tauchboot hat an der Ankerboje angelegt. Die Küste ist nur einen Steinwurf entfernt. Entlang der Bojenleine taucht die kleine Gruppe ab und nach wenigen Metern kommt im dunklen Blau des Meeres etwas in Sicht, das sich jeden Meter weiter konkretisiert. Es ist der elegante Bug der "Lina", die aufrecht am Abhang steht.

Das Schiff stammt aus einer Zeit, in der sich Segel- und Dampfschiffe Wettrennen lieferten. Die zukunftsweisenden Schiffe mit Motor hatten damals noch die eleganten Linien der Segler. So auch die 1879 gebaute "Lina". Die Bugspitze ist in 27 Metern Tiefe erreicht. Taucht man etwas vor das Schiff und lässt sich einige Meter sinken, so scheint das Wrack noch immer in Fahrt zu sein. Wieder an Deck sieht man, dass die Beplankung aus Holz größtenteils längst verfault ist.

Lässt man sich fallen, gelangt man ins erste Unterdeck oder die Laderäume. Ersteres ist leer, zweitere können tiefer erkundet werden. Wie die Gräten am Rückgrat eines filetierten Fisches stehen hier noch die alten Holzplanken von den Stahlträgern ab. Das riesige Steuerrad wurde längst geklaut, aber der Steuerstand, von dem der Kapitän einst sein Schiff dirigierte, ist vor dem von Netzen behangenen Mast noch erhalten. Der Schornstein wurde beim Untergang aus seiner Verankerung gerissen und liegt seither quer über dem Deck. Dieser markiert auch die gesetzliche Tiefengrenze mit Luft in Kroatien von 40 Metern. 14 Meter tiefer soll das Heck samt Schiffsschraube tief im Schlamm stecken.

Am Wrack ist immer Fisch. Brassen und Sardinen fühlen sich in seinem Schutz wohl. Mit etwas Glück kann man sogar große Makrelen, die Jagd auf die Wrackbewohner machen, sehen. Sogar ein Sechskiemenhai wurde hier schon gesichtet! Wie an jedem Wrack fühlen sich Congeraale auch an der "Lina" wohl. Ein guter Platz sie zu finden sind die Ankerklüsen.

Den Sicherheitsstopp oder die Deko braucht man hier nicht an der Bojenleine abzuhängen. Direkt vor dem Wrack ist im Uferbereich der Stickstoff wie im Nu abgeatmet. Lichtreflexe tanzen in der flachen Meeresbucht. Zwischen den Tentakeln der Seeanemonen gibt es kleine Schwebegarnelen, Anemonen- Seespinnen oder durchsichtige Widderkrebschen zu entdecken. Genau zu schauen lohnt sich!

Hier warten auch kleine Grotten auf ihre Erkundung. Im Licht der Lampe erstrahlen in ihnen rote und weiße Schwämme und Kolonien gelber Moostierchen im ewigen Dunkel. Ganz hinten in einer Höhle breitet eine weiße Aktinie ihre Tentakel aus. Der Albino konnte in der Finsternis keine Farbpigmente bilden.

Nach dieser gelungenen Mischung aus Wrack und Bio taucht man mit Kompasskurs zurück zum Boot oder schnorchelt die 50 Meter. Das italienische Schiff sank in einem Schneesturm im Januar 1914. War es ein Navigationsfehler bei schlechter Sicht? Hatte sich der Kapitän der Mannschaft angeschlossen, um sich mit Schnaps aufzuwärmen? Oder war es Versicherungsbetrug? Denn das Schiff war auf einer Leerfahrt ...


Infobox Diving Cres


Lage: im Autocamp Kovacine bei Cres Stadt
Geöffnet: Ende April bis Oktober
Leitung: Nicole Kiefhaber und Ralf Pflaumer
Tel: 00385 51 571706
E-Mail: info@divingcres.de
Web: www.diving.de
Ausbildung nach: SSI, PADI
Transport: 2 gemütliche Tauchschiffe mit WC
Besonderheiten: Sehenswertes Hausriff bis 40 Meter, sämtliche Annehmlichkeiten, welche die Infrastruktur eines großen Campingplatzes bietet.



Ausflugstipps



Lubenice: Kurz vor Valun biegt ein enges Gässchen den Berg hoch in die Macchia ab. Zwischen den Steinmauern ist nur etwas mehr Platz als für ein Auto. Ab und an machen kleine Ausweichen ein Passieren zweier PKW möglich. Taucht da vor einem etwas Großes mit einem gelbes Kennzeichen auf, dann hat man eines: Pech! In so einem Fall kann man nur hoffen, genügend Wasser mit an Bord zu haben. An- und Abfahrt über die engen Gassen sind Teil des Abenteuers Lubenice.

Das uralte Dorf Lubenice thront wie ein Adlerhorst 378 Meter hoch über dem Meer auf einem Bergkamm. Von der Kirche und dem kleinen Dorfplatz führen enge, steingepflasterte Gässchen an den Steinhäusern vorbei. Durch die Schritte aufgeschreckt, huscht eine weiß-braun gefleckte Katze davon. Sie hat dasselbe Muster wie die verputzten Steinhäuser. Eine perfekte Tarnung! Ist es an den Badestränden drückend heiß, so weht hier immer ein angenehmes Lüfterl. An guten Tagen schweift der Blick über das Meer bis Rijeka und weit in die endlosen Berge von Istrien.

Tramuntana: Schätze der Natur! Ganz im Norden der Insel liegt die Tramuntana, benannt nach dem gleichnamigen Wind, der durch die uralten Wälder pfeift. Im Weiler Beli findet sich das Umweltzentrum Caput Insulae Beli ("Beli, Kopf der Insel"). Ein Schwerpunkt dieser Ökostation ist der Schutz der bedrohten Weißkopfgeier (Gänsegeier), die an der Küste brüten.


Infobox Gänsegeier


Im Kvarner Archipel leben ungefähr 100 Gänsegeier Paare, die die einzig verbliebende Population in Kroaten repräsentieren. Auf der Insel Cres leben davon ca. 70 Paare.

Im Umweltzentrum bei Beli wird die Geschichte der Geier, deren Eigenschaften und Verhaltensmuster und das Gefährdungspotential in einer Ausstellung interessierten Besuchern präsentiert – Besuch empfehlenswert! Der zweite Bereich der Station ist eine Genesungsstation für verletzte Geier wo besonders Jungtiere die beim ersten Flugversuch abgestürzt sind, medizinisch versorgt werden.



Schnürt man die Wanderschuhe, dann erlebt man Cres so, wie der Kvarner einst war. Im Schatten von Olivenhainen, Feldahorn, Steineichen oder Maulbeerbäumen gelangt man bald an eine Brücke aus der Römerzeit. Unter ihr murmelt ein kleiner Bach. Die in Schwertlilien gut versteckten Frösche quaken lauthals. Auf den alten Steinmauern zu beiden Seiten des Weges sonnen sich Smaragdeidechsen. Dann lädt ein Steinlabyrinth zu einer Erkundung ein. Die Wanderwege im Tramuntana tragen Namen wie "Feenpfad" oder "Orchideenpfad" und haben neben ökologischen auch geschichtliche und mythologische Inhalte.



Fazit


Cres ist eine Insel, die Ruhe verströmt. Gerade mal drei Tauchbasen gibt es hier, da kommt bestimmt kein Gefühl von Rudeltauchen auf! Unter Wasser punktet Cres mit tollen Steilwänden und dem berühmten Wrack der "Lina". Über Wasser mit viel Natur und romantischen alten Städtchen. Stammgäste wissen diese Kombination einfach zu schätzen.



Video zum Thema:



Das Video zeigt verschiedene Tauchplätze der Insel Cres.